Hier scheint der Mond noch durch die rostigen Gitter

■ Berliner Gefangene zu den rot-grünen Verhandlungen: Die AL stinkt vom Koppe her

Eine Arbeitsgruppe kritischer Gefangener aus der JVA Tegel hat sich jetzt mit einem Text in die rot-grüne Diskussion eingemischt. Die Autoren des Beitrags, den wir an dieser Stelle dokumentieren, befürchten, daß die Menschen hinter Gittern während der Bündnis-Euphorie vergessen werden. Ihre Sprache ist die des Knastes:

Wenn Walter Sack A sagt, schwelgt die AL plötzlich in allerlei allerbreitesten liberalen Tönen und sagt B. Nie war sie so fertig wie heute.

Kein entscheidendes Wort fiel bisher zur aktuellen Diskussion um Zusammenlegung von RAF und Widerstand, auch hier in Berlin. Daß die Plötze-Frauen und Tegeler Gefangenen sich an Solidaritätsaktionen beteiligen, findet während „Essential„-Diskussionen mit der SPD mit keinem Wort Berücksichtigung.

Da will man offensichtlich zur Zeit auch nichts von wissen, weil das wohl das harmonische Zusammengerangel zwischen „Grün und Rot“ erheblich negativ belasten könnte. Auch im sogenannten Wunschkatalog der AL zu den Wahlprüfsteinen ist nach unseren Feststellungen nichts Realistisches enthalten. Das Thema Knäste und Abschaffung versus Öffnung wurde gleich nach den ersten erkennbaren Schwierigkeiten mit der SPD in die hinterste Ecke gestellt. Diese nochmalige klammheimliche Ausgrenzung der Berliner Gefangenen nehmen wir jedoch nicht hin!

Also kein Wort wohl auch deshalb zur Abschaffung der Trakte ('80 von der SPD initiiert) und Abschiebe-KZs wie der Kruppstraße.

Daß hier längst ein Untersuchungsausschuß zu den brutalen Vorfällen dort und bei Abschiebungen hätte Stellung beziehen müssen, ist trotz unserem Druck bisher spurlos an der AL vorbeigegangen. Da halten wir aber den Daumen drauf und werden gerade jetzt nicht unser Maul halten!

Das knallharte Fascho-Treiben in den Berliner Knästen, besonders in Haus II der JVA Tegel, hat die AL bisher auch nicht sonderlich stark interessiert, die SPD schweigt ebenso beharrlich dazu. Das ist ein einziger Skandal, der nicht länger unter dem Tisch bleiben darf, wenn sich nicht die gesamte Berliner AL unglaubwürdig machen will! Deshalb verlangen wir auch auf dem nächsten AL-Basistreffen eine grundlegende Diskussion mit den Bereichen darüber. Wir erwarten aber auch eine breitere Diskussion mit anderen. Die sogenannten „Suizid„-Gefangenen und ebenso zahlreich zusammengeschlagenen Gefangenen, besonders unter Ausländern, müssen ebenso unnachgiebig auf den Verhandlungstisch gebracht werden und dürfen nicht im Debattenkeller verschwinden. Jetzt hat das auf einmal auf dem „Gabenteller“ der AL keinen Platz mehr. Wir haben daher den grünbekränzten Reform- und ordnungspolitischen Hochzeitseiertanz der AL mit der SPD gründlich satt und fordern Konsequenzen! Wir stehen daher auch deshalb nicht im Widerstand, um uns jetzt von der AL verarschen zu lassen. Die Punkte müssen daher sofort auf den Tisch:

1a) Räumung und Abriß der menschenunwürdigen alten und neuen Berliner Fascho-Knäste, einschließlich Bunker, Trakte und Abschiebe-KZs und Schließung des Jugendknastes.

b) Die Bekämpfung des hier auch sehr wachen alten und gar nicht so neuen Nazigeistes in den ehemaligen Dritte-Reich -Zucht- und Arbeitshäusern Berlins. Hier wurden die Gegner des NS-Regimes „geschutzhaftet“, gefoltert und umgebracht. Vor hier aus traten viele den Transport in die Vernichtungslager an. Als Gefangener verspürt man bis heute den sich hier nischenhaft erhaltenen staatlichen Naziterror. Anscheinend braucht es bei Teilen der AL noch eines geschichtlichen Nachhilfeunterrichts bezüglich des Hauptstadt-Faschismus. Einige tausend Gefangene verbringen nach wie vor Jahr für Jahr ihren Knast in den alten Faschisten-Gemäuern Moabit, Lehrter Straße, Plötzensee und Tegel. Die Außen- und Innen-Nazi-Architektur, auch der Zellen und deren Inneres, hat sich praktisch bis heute nicht weiter verändert. Und heute zieht durch diese Gemäuer wieder genauso der alte und neue hetzerische, menschenverachtende Ungeist angeblich längst vergangen geglaubter Zeiten. Da kann und muß durch konsequenten Abriß endlich Schluß gemacht werden! Dieser Fakt belastet Berlin allemal. Und auch gerade deshalb:

2a) die sofortige Öffnung der Knäste für selbstgewählte Medienvertreter;

b) Abschaffung der Zensur und Neuherausgabe von 'Blitzlicht‘.

3a) Mitwirkung bei Konzipierung von sogenannten „Reintegration-Selbsthilfegruppen“ von Gefangenen bei sofortiger Räumung und Öffnung der Knäste, sowohl drinnen wie draußen;

b) als erstes alle Drogis raus aus dem Knast. Er hilft ihnen nicht, und alles andere ist eine fromme Lüge, auch von der SPD; dann wir anderen Gefangenen hinterher. Sollte sich die AL dazu nicht in der Lage fühlen oder eine entsprechende Absprache mit der SPD erzielen können, verlangen wir deren Abzug aus den Verhandlungen!

4) Offenlegung aller Brutalitäten an Gefangenen in diesem äußerst faschistoid gebliebenen Klima der alten und neuen Berliner Knäste in einem sofort einzusetzenden Untersuchungsausschuß. Dazu fehlen allerdings jetzt wohl die seinerzeit im Reißwolf der AL gelandeten Knastbriefe. Wir wundern uns deshalb nicht. Der Nazi-Knastmoloch Moabit zerstört nach wie vor seit zig Jahren bis heute durch gnadenlos harten 23-Stunden-Einschluß und gar über Jahre zahlreichen und einer immer größer werdenden Anzahl Gefangenen Leben, Gesundheit, Hoffnung und Zukunft. Die Endlösungsfolter und Vernichtungsmaschine muß endlich ein für allemal gestoppt werden!

5) Grundlegende Revision oder besser ersatzlose Abschaffung der perversen Berliner Grundsätze in einem angeblich resozialisierungsfreundlichen, aber Strangulierungsstrafvollzugsgesetz. Wir nennen das dummdreiste Verarschung der (gläubigen) Gefangenen und gutwilligen Mitarbeiter. Berliner Wundertüte mit null Inhalt. Und viele andere Forderungen mehr.

Fordern wir mehr Gefangenenrechte! Machen wir gemeinsam Druck, damit die AL und andere endlich aufwachen! Für ein breites Bündnis aller Antifaschisten und sozialrevolutionären Gefangenen! Drinnen wie draußen gegen REPs und FAPs, den ganzen langweiligen Müll hier, den alltäglichen Horror an Barbarismus, Faschismus, Rassismus und Sexismus in den Berliner Knästen. Dazu ein guter Spruch: Wer die Kultur eines Landes kennenlernen will, der gehe in die Gefängnisse. Da sieht's jedoch sehr, sehr finster aus. Ehrlich.

Deshalb keine verschwommene Fundi-Realo-„Alternative“ zur einzig radikalen schwarz-roten Alternative! Schafft die Knäste ab!

Dabei und jetzt - reichlich Mitarbeit gefällig, reichlich Mitarbeit gefällig! „Jawohl die Herrschaften, treten Sie herein, hier im '89-Horror-Berlin, da haben wir für sie noch ein nettes Knastzimmerchen frei, hier scheint der Mond noch durch die rostigen Gitter. Und dann meine Damen und Herren, morgens früh, da gibt's den astreinen Eins-a-Knast -Muckefuck. Mhm.“

Knackis in der AG Kritischer Gefangener, Freundeskreis West -Berlin Von der Redaktion gekürzt