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Je schon und immer wieder

■ Chantal Akermans „Histoires d'Amerique“ im Wettbewerb

Chantal Akerman hat versagt, wo sie konnte. Alles ist falsch in diesem Film, auch wenn die Geschichten, die erzählt werden, wahr sind. Die Regisseurin postiert Frauen und Männer verschiedenen Alters vor der Kamera. Sie berichten von ihrem Leben in Polen, von Pogromen, Auschwitz, der Emigration nach New York, Heimweh, Desorientierung. Aber es sind Schauspieler, die da sprechen, native speakers. Sie rezitieren glatt und flüssig, wirklich: ohne je zu stocken oder sich zu verhaspeln, ohne irgendeinen Widerstand, an dem sich ein Zuschauerinteresse entzünden könnte. Sie stehen mit hängenden Schultern im Halbdunkel, vor der vagen Silhouette Manhattans. Auch die Gesichter liegen im Schatten, nicht einmal darin kann man lesen. Ein Hörspiel ohne einen spezifischen Klang, ein Film ohne Bilder. Ästhetischer Verrat, also politischer.

Es ist, als hätte Chantal Akerman die Geschichte der polnischen Juden in New York so abstrakt als möglich machen wollen. Systematisch verstellt sie jeden sinnlichen oder emotionalen Zugang. Aber Akerman und die Kirchenpreisjurys sollen sich nicht täuschen: Was hier als kunstvolle Kunstlosigkeit, lautere Einfachheit Bedeutung heischt, ist nur Phantasielosigkeit, Unvermögen, unverschämte Prätention.

Die Ungenauigkeiten des Films verdienen eine genauere Analyse. Was heißt es, wenn eine Geschichte in quasi -dokumentarischer Technik von Leuten erzählt wird, die zu jung sind, um sie am eigenen Leibe erlebt zu haben? Was heißt es, wenn sowohl Polen als auch New York im Dunkel liegen? Warum stellt Chantal Akerman ihre Kamera in ein terrain vaque? Sie verlegt die Geschichte ins Irgendwo und -wann, wo sie sich blind vollzieht und wiederholt. Sie macht eine Parabel draus, ein Es-hat-so-kommen-müssen, ein je schon und immer wieder, das letztlich dazu dienen mag, die Möglichkeit des politischen Eingriffs dagegen zu leugnen.

Eingestreut sind in Akermans Selbstverständigungstexte -Anthologie, als heiter besinnliche Vignetten gewissermaßen, ein paar Inszenierungen jüdischer Witze. Nun brauchen diese Witze nichts weniger als eine Inszenierung - sie funktionieren sprachlich, als Texte, nicht als Gags oder Sketches. Akerman benutzt ihr komisches Potential nur, um den Zuschauern doch noch irgendwie eine Regung abzuringen, wozu sie aus eigener Kraft offenbar unfähig ist. Das Publikum lacht dankbar, selbst bei Witzen, die gar nicht zum Lachen sind, das gibt es nämlich. Es ist ein leicht gezwungenes Lachen, höflich wie der Schlußapplaus. Bei einem so sensiblen Thema wagt man nicht sich einzugestehen, daß der Film total mißlungen und übrigens: gähnend langweilig ist.

Thierry Chervel

„Histoires d'Amerique“, von Chantal Akerman, mit Mark Amitin, Eszter Balint u.v.a., Belgien/Frankreich 1988, 97 Min.

15.2., Gloria-Palast, 9.00 Uhr und Urania Humboldtsaal, 18.30 Uhr

16.2., Capitol Dahlem, 20.30 Uhr.

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