Großbrand bei Bayer

Farbrohstoff-Anlage in Uerdingen ausgebrannt / 17 Verletzte, 100 Millionen Mark Schaden / Rheinalarm ausgelöst  ■  Von Manfred Kriener

Berlin (taz) - Eine Explosion im Uerdinger Werk des Chemiekonzerns „Bayer“ hat am Dienstag morgen einen Großbrand ausgelöst. 17 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Eine riesige Rauchwolke zog über den Rhein. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, in ihren Wohnungen zu bleiben und Türen und Fenster zu verschließen. Der Sachschaden wird auf über 100 Millionen Mark geschätzt.

Der Chemiekonzern und die Feuerwehr bezeichneten die verbrannten Kunstharzprodukte als „relativ harmlos“ und in ihren Brandfolgeprodukten „relativ uninteressant“. Die Bürgerinitiative „Koordination gegen Bayer-Gefahren“ wies diese „sonderbaren Erklärungen“ als irreführend zurück. Die Explosion hatte sich beim Auftanken von Fettsäure um 7.56 Uhr in der Anlage 34 ereignet. In dieser Anlage liegt die Farbrohstoff-Produktion des Werkes. Bei dem Brand entwickelten sich nach Angaben von Augenzeugen bis zu 100 Meter hohe Flammen. Selbst nach zweistündigen Löschversuchen sei das Feuer noch nicht unter Kontrolle gewesen. Erst gegen Mittag war der Brand weitgehend gelöscht. Nach Aussagen der Feuerwehr sei der größte Teil des Löschwassers aufgefangen worden, doch „geringe Mengen“ könnten in den Rhein gelangt sein. Für die Rheinanlieger wurde „Rheininformationsalarm“ ausgelöst. Bayer erklärte, daß „wegen der gut abbaubaren organischen Produkte eine größere Gefährdung des Rheinwassers nicht zu erwarten ist“.

Aus der stark automatisierten Anlage wurden nach Informationen der Bürgerinitiative drei Schwerverletzte mit Verbrennungen bis 40 Prozent und starken Inhalationsverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Nach BI-Informationen sind bei dem Feuer mindestens 50 verschiedene Chemikalien verbrannt, überwiegend Kunstharze, Fettsäuren, Öle, aber vermutlich auch Lösemittel und Weichmacher.

Die Grünen in Nordrhein-Westfalen wiesen außerdem auf krebserregende Spurenverbindungen hin, die mitverbrannt seien.

Das Uerdinger Werk ist mit 10.000 Beschäftigten das zweitgrößte des Bayer-Konzerns. Auf dem Firmengelände, das unmittelbar am Rhein liegt, befinden sich, so BI-Sprecher Achim Schmottlach, allein 13 Anlagen, die wegen ihres Gefährdungspotentials besonderen Katastrophenschutz -Verordnungen unterliegen. Etwa 200 Meter vom Brandherd entfernt lagern größere Mengen an Lösemitteln. Auch Phosgen, das in Bhopal zur Katastrophe führte, werde in Uerdingen verarbeitet.

Das erste Wohngebiet liege nur knapp 500 Meter vom Bayer -Werk entfernt. Glücklicherweise habe der Wind die Rauchwolken in die andere Richtung über den Rhein getrieben.

Die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Garbe, wies nach dem Brand auf die Ahnungslosigkeit der Behörden hin: „Noch drei Stunden nach Ausbruch des Brandes wußten weder Feuerwehr, Polizei, Regierungspräsidium, Gewerbeaufsicht, Bundesministerium für Umwelt noch die Firma Bayer selbst, ob dieser Betrieb oder benachbarte Anlagen unter die Störfall -Verordnung fallen. Weder waren genaue Stoffmengen noch deren Gefährlichkeit bekannt. Aber eine Aussage konnte, wie in diesen Fällen üblich, sofort gemacht werden - „Keine Gefahr für die Bevölkerung!“ Für die heutige aktuelle Fragestunde des Bundestages haben die Grünen vier Fragen zum Bayer-Brand formuliert. Sie wurden wegen „nicht vorhandener Dringlichkeit“ und „Zuständigkeit der Länder“ nicht zugelassen.