Kleinstaat verteidigt Großkapital

■ Vor allem die luxemburgische Regierung sträubt sich gegen die einheitliche EG-Quellensteuer

Berlin (taz) - Allein im letzten Dezember stieg der Netto -Kapitalabfluß aus der BRD auf 8,7 Milliarden Mark, hat die Bundesbank ausgerechnet - im gesamten Jahr '88 wurde eine absolute Rekordmenge Geld aus der BRD geschafft: 120 Milliarden Mark, davon mehr als zwei Drittel im langfristigen Kapitalverkehr.

Ursachen dafür gibt es mehrere, etwa die höheren Zinsen im Ausland. Vor allem hat aber die zehnprozentige Quellensteuer dazu geführt, daß bundesdeutsche Banken in Luxemburg neue Fonds auflegten und den verschreckten Sparern aus Frankfurt und München verkauften - Kapitalflucht.

Zu begegnen sei ihr nur mit EG-einheitlichen Regelungen, sagen die Regierungen, die von der Fluchtbewegung nicht profitieren - doch diese Regelungen sind auch nach den Beratungen der Finanzminister in Brüssel nicht in Sicht (siehe taz vom 14.2.). Erwartungsgemäß hat vor allem die Regierung der Steueroase Luxemburg heftigsten Widerstand angemeldet und den Kommissionsvorschlag gar als „anti -europäisch“ bezeichnet, entweder einheitlich 15 Prozent Steuern auf die Zinsen zu verhängen oder Steuerehrlichkeit durch die Kontrollmitteilungen der Banken an die Finanzämter zu erzwingen. Auch die britische Delegation hält nichts von der Regelung und will dem Markt die Lösung des Problems überlassen. Auf schwierige Verhandlungen richten sich die Regierungstrupps vor allem deswegen ein, weil Steuerfragen ein ausgesprochen politisches Problem darstellen: sie rühren an nationales Hoheitsrecht und bedürfen in den jeweiligen Ministerräten der Einstimmigkeit.

Am Problem wird einstweilen technokratisch herumgearbeitet: Eine „hochrangige“ Expertengruppe ist eingerichtet worden, die sich auf Kompromißsuche begibt und in sechs bis acht Wochen Ergebnisse präsentieren soll. Noch recht einfach wird es dabei sein, die Befreiung der Anleihen von EG -Institutionen von der Quellensteuer wieder zu kippen. Der Ministerrat verhandelt dann das Hauptproblem, die Höhe des Quellensteuersatzes, auf seinem nächsten Treffen im April, und im Juni wird er dem nächsten Euro-Gipfel in Madrid eine Empfehlung vorlegen. Wenn der widerborstige Kleinstaat fürs Großkapital dann immer noch nicht eingelenkt hat, wird's allmählich Zeit: Ein Jahr haben sie noch, bis im Juli 1990 der Kapitalmarkt liberalisiert sein soll.

diba