Rot-Grün ist auf die Schienen gesetzt

Seit Montag verhandeln in Berlin AL und SPD über eine mögliche Koalition / Die Angriffe von rechts werden schärfer  ■  Aus Berlin Brigitte Fehrle

In Berlin begannen am Montag abend die förmlichen Koalitionsverhandlungen zwischen der Alternativen Liste und der Sozialdemokratischen Partei. Einvernehmlich verständigten sich die Parteien auf einen Fahrplan. Vereinbart wurden zwölf Untergruppen, die in allen relevanten Politikfeldern Positionen abklären und unterschriftsreife Papiere anfertigen sollen. Am 22.Februar trifft sich dann wieder die große Verhandlungskommission.

SPD-Chef Momper hat noch einmal zur Eile gemahnt. Bis zum 2.März, wenn sich das neue Abgeordnetenhaus konstituiert und der Parlamentspräsident gewählt werden muß, will er seine neue Regierungsriege präsentieren können. Vorher muß Momper seine Basis fragen, ob sie dem Bündel zustimmt, das die Verhandlungskommission bis dahin geschnürt hat. Auch eine Mitgliedervollversammlung (MVV) der Alternativen Liste muß abstimmen, ob und in welcher Form sie die Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten in einer Regierung aufnehmen will. Die letzte MVV hat die Entscheidung Über Tolerierung oder Koalition zurückgestellt und vom Verhandlungsergebnis abhängig gemacht.

Verhandelt wird in den nächsten zwei Wochen über alle relevanten Politikfelder - auf Wunsch der AL auch über das Thema „Politische Kultur“. Hier schlagen die Alternativen unter anderem die Abschaffung des Dienstwagens für Fraktionsvorsitzende und den „gläsernen Abgeordneten“ vor. Bereits jetzt läßt sich weitgehende Übereinstimmung in der Wohnungs- und Mietenfrage absehen. Kontroversen stehen bei der Wirtschaftspolitik an. Auch das Thema „Innere Sicherheit“ wird ein harter Verhandlungsbrocken werden. Unter vielem anderem besteht ein Dissens bei der Forderung der Alternativen, die Polizeibeamten sollten gekennzeichnet werden.

Mit einer öffentlichen Kampagne „Vertrauen für eine neue Politik“ will die SPD die laufenden Verhandlungen begleiten. Noch aber hält sich Momper die Option für eine große Koalition offen. Am Donnerstag abend dieser Woche wird er sich erneut mit der CDU zu Koalitionsgesprächen treffen trotz der inzwischen „großen Störungen“ im Verhältnis zu den Christdemokraten, so Momper.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Seiters hatte in einem Interview mit der Berliner CDU-Parteizeitung auf die Sozialdemokraten geschimpft. Die schielten in die „linksextreme Ecke“, meint Seiters. „Verrat an Arbeitnehmerinteressen“ warf der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Sozialausschüsse (CDA), Scharrenbroich, den Sozialdemokraten vor. Wie bereits Geißler am Tag zuvor argumentierte er in der Links-Rechts-Polarisierung. So wie die Christdemokraten den rechtsradikalen Republikanern eine Absage erteilt hätten, müsse dies von der SPD gegenüber der linksradikalen AL verlangt werden.

Auch die Berliner Christdemokraten droschen auf die SPD ein. Eine „Machtergreifungsstrategie in einer bisher nicht gekannten Qualität“ nannte Landesgeschäftsführer Wienhold die rot-grünen Verhandlungen. Unterstützung gegen die Angriffe von rechts bekamen die Berliner Genossen jetzt aus Bonn. Ein „Störfeuer“ nannte der SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel die „zunehmend aggressiveren und beleidigenden“ Attacken.