Bremen plant Offensive gegen Umland

■ „Leitlinien“ zur Planung im Bremer Einzelhandel bis zum Jahre 2000 betonen: Wachstum durch Konkurrenz mit dem Umland / Mehr Autos und schöne Worte für „Nebenzentren“

In jedem Jahr soll es in Bremen 21.000 Quadratmeter mehr Ladenfläche geben. Auf diese „Leitlinie“ für die Entwicklung des Einzelhandels hat sich der Senator für Wirtschaft und Außenhandel mit der Handelskammer verständigt. Diese Wachstumsprognose bis zum Jahre 2000 wird allerdings kaum neue Arbeitsplätze schaffen - 1.300 gegenüber dem Stand Mitte der 80er Jahre prognostizieren die bremischen Planer. Auch dies knüpfen sie noch an eine Bedingung: Voraussetzung sei die „Verbesserung der zentralörtlichen Gliederung der Regionen“. Hinter dem Planungs-Kauderwelsch versteckt sich ein einfacher Sachverhalt: Derzeit fließt Kaufkraft in einer Größenordnung von etwa 500 Millionen Mark in Einzelhandelskassen im niedersächsischen Umland, nur 17% mehr fließen zurück. Damit liegt die „oberzentrale“ Funktion Bremens hinter der der wichtigsten westdeutschen Großstädte zurück, sogar in Oldenburg ist der Einzelhandels-Umsatz im Verhältnis zur Einwohnerzahl größer als in Bremen. Diese sog. „Einzelhandelszentra

lität“, so die Deputationsvorlage, „soll sich bis Ende des Jahrtausends schrittweise dem Durchschnitt anderer bundesdeutscher Großstädte annähern“.

Die Handelskammer hat in ihrer Stellungnahme zu dem Senatspapier nachgerechnet, was das allein für die City, die 70.000 Quadratmeter neue Verkaufsfläche bekommen soll, bedeutet: 5-8.000 Kunden mehr an normalenm Werktagen, bis zu 15.000 mehr an den 30 wesentlichen Werktagen. Davon kommen 70-80% mit dem Auto - aber derzeit sind die Straßen zur City an den Einkaufszeiten schon verstopft und Parkplätze eine Seltenheit. Verkehrspolitische Überlegungen fehlen aber völlig bei den „Leitlinien für die zukünftige Entwicklung des Einzelhandels“. Die Handelskammer sieht einen Widerspruch zu Maßnahmen der Verkehrsberuhigung, Hochpflasterungen und der Förderung des Öffentlichen Nahverkehrs, wenn mehr kaufkräftige Kunden in die Bremer City gelockt werden sollen.

Um in der Konkurrenz mit dem Umland auch in Bereichen der

Massenartikel verlorenes Terrain zurückzugewinnen, sehen die „Leitlinien“ in Stadtrandberei chen weitere großflächige Verkaufsunternehmen vor. 60.000 der 248.000 Quadratmeter neuer „Einzelhandelsflächen“, die außerhalb der City geplant sind, wird allein der „Weserpark“ (früher: „Wunderland“) verschlingen.

Die Bedeutung der „Nebenzentren“, d.h. der Stadtteile rund um die City herum, wird in den „Leitlinien“ des Wirtschaftsressorts allgemein betont und es wird bemerkt, der „Verlust an urbaner Aufenthaltsqualität (sei) zu bremsen“. Aber etwa bei dem „Erscheinungsbild der öffentlichen Räume“, die die öffentliche Hand im Interesse der Einzelhandelsgeschäfte gestaltet, können mehrere Beispiele aus der City aufgezählt werden, keines aus einem der „Nebenzentren“.

Unter anderem aufgrund des Einspruchs von Stadtteil -Politikern der SPD ist die Verabschiedung der Leitlinien in der Wirtschaftsdeputation gestern auch zurück- und ein Nachholbedarf festgestellt worden.

K.W.