KANN SICH FILM KULTUR LEISTEN?

■ Zur ersten Gesprächsrunde über kulturelle Filmförderung in Berlin

Weil Herr Eisenhauer, der Filmbeauftragte des Berliner Senats'noch mit den Jurymitgliedern der Berliner Filmfestspiele essen mußte, kam der Profi der Filmwirtschaft eine gute Stunde zu spät in die Diskussionsrunde, die bis dahin allerdings kaum debattiert hatte, sondern vielmehr von einem positiven Bekenntnis zu dem vorgelegten Papier der vier Filmemacher beziehungsweise der -macherin Zeugnis ablegten.

Als Erster erläuterte ein Herr vom Hamburger Filmbüro die Entstehung dieses Büros unter besonderer Berücksichtigung der damaligen Situation, die im wesentlichen gekennzeichnet war vom Exodus Münchner Filmemacher, die dort nicht mehr arbeiten wollten oder konnten, und der spezifischen Hamburger Verhältnisse, die einen Freiraum der kulturellen Filmförderung zuließen, indem durch die besondere Zusammensetzung der Gremien gewährleistet werden konnte, daß sowohl wirtschaftlich wie auch kulturelle Förderungen möglich waren.

Esra Gerhardt vom Filmhaus e.V. erklärte die Unterschiede: „(...) Wir hatten und haben dagegen in Berlin eine andere Situation. Auf der einen Seite eine Art Altfilmindustrie mit Altfilmproduzenten mit einer relativ veralteten studiotechnischen Ausstattung wie das CCC und die ausschließlich an der Auslastung ihrer Studios interessiert sind, und das Geld, das man dabei verdient, in Immobilien reinsteckt. Es war also nicht die Situation, daß man mit einem unabhängigen filmkulturellen Anspruch antreten kann, das sich zu einem Dach für eine ganze Branche entwickeln kann. Das war auch machtpolitisch besonders schwierig, wenn eine besonders wirtschaftspolitisch orientierte Partei wie die CDU an die Regierung kam, nachdem eine kulturell etwas langweilige SPD gegangen war.“ Unter diesen Umständen, so sagte Esra Gerhardt weiter, war es schließlich nur möglich, einzelne Projekte durchzusetzen, weil sowohl die Filmer Einzelinteressen verfolgten wie auch individuell unter dem Deckmäntelchen der Wirtschaftlichkeit für einzelne kulturelle Filme Fördergelder zu bekommen waren.

Ein Vorstandsmitglied der BAF, des Berliner Arbeitskreises Film, äußerte, daß die Forderungen auf durchaus richtigen Erfahrungen beruhten und insofern deckungsgleich seien mit den Forderungen der BAF, die der bedingten Selbstverwaltung nach dem Hamburger Modell beinhaltet, aber nicht durchsetzbar gewesen ist. Als weiteres Argument für die kulturelle Filmförderung führte er an,“ die EG -Vereinheitlichung ab 1992, die ja langfristig dazu führt, daß alle Wirtschaftsförderungsmodelle geöffnet sein müssen gegen alle Abschottungen. Aber wir wollen regionale Kultur gewahrt wissen, und nur die regionale Kultur auch im Filmbereich ist nicht antastbar seitens der EG-Richtlinien, denn Kultur ist ausdrücklich dem Zugriff von Brüssel entzogen.“

Frau Gregor erklärte auf die Bitte, etwas zur Kultur, Film oder Wirtschaftsförderung zu sagen: „Nein, da möchte ich eigentlich nichts dazu sagen. Ich bin hierher gekommen, um zuzuhören und mir wirklich anzuhören, was die anderen zu sagen haben.“

Christian Ziewer wies anhand der diesjährigen Ausgabe des „Filmechos“ auf die Verfilzung zwischen Kulturverwaltung und Wirtschaft hin und sprach von nachweisbaren Zensurmaßnahmen, die vom Filmbeauftragten als Redakteur durchgeführt wurden. Aber auch er kam schließlich darauf zu sprechen, daß die einzige Chance darin bestehe, die kulturelle Filmförderung von der Förderung nach Wirtschaftlichkeitskriterien zu trennen.

Frau Helga Wilkerling sprach dann für den kulturpolitischen Arbeitskreis der AL: „Wir haben von der Al aus seit einigen Jahren das Thema Filmpolitik und auch die kulturelle Filmförderung in Berlin bearbeitet. Wir haben Kontakte zur BAF hergestellt und zum Filmhaus e.V. Wir finden es ausgesprochen gut, wenn aus dem Kreis der Filmschaffenden Vorstellungen kommen, denn wir als politische Gruppe haben es nicht so sehr gerne, daß wir euch vorschlagen, wir wollen es so und so haben, sondern wir finden es ganz prima, daß die Vorstellungen auf den Tisch kommen, und ich werde mich dafür einsetzen, daß diese Vorstellungen mit euch diskutiert werden, und ich hoffe, daß wir Einfluß haben werden auf eine zukünftige Regierung.“

Wieland Speck sagte: „Ich finde das sehr interessant, was BAF und Filmhaus uns Esra Gerhardt gesagt haben. Es zeigt sich, daß verschiedenen Generationen nacheinander das gleiche Problem haben, weil die vorherige Generation es offensichtlich nicht geschafft hat, das Problem zu lösen.“

Herr Eisenhauer war inzwischen gekommen, und ihm wurde bald das Wort gegeben, das sich nach einigen Floskeln so anhörte: „Zunächst einmal bin ich der Auffassung, daß Berlin seit 10 Jahren eine kulturelle Filmförderung hat.“ Er verwies auf die CDU-Hinwendung auf wirtschaftliche Aspekte und erlaubte sich die Bemerkung, daß nicht nur „Schmonzetten“ wie Otto und Didi Hallervorden, sondern auch die „Blechtrommel“, „Der Himmel über Berlin“ und „Rosa Luxemburg“. Nach seiner Argumentationsführung über seine oben erwähnten Beispiele, die seiner Meinung nach in Hamburg nicht gefördert worden wären und der Hinwendung zum Low-Budget-Film, dessen Obergrenze von 400.000 DM weiter nach oben geöffnet werden müßte, und einer für ihn beispielhaften Produktion wie „Du mich auch“ kam er zum Kern seiner Argumente. „Ich bin dafür, daß Filme produziert werden, die Low Budget sind, die auch ein kulturelles, eh eh, nur kulturell von mir aus eh eh akzentuiert sind, die darüber hinaus aber, bitte, in Richtung auf Professionalisierung laufen, denn nur darum kann es gehen. (...) Ich halte nichts von der der der Philosophie, daß die Kreativität und Phantasie nur möglich ist, indem man Low-Budget-Filme macht. Ich halte aber viel davon, daß man sich überlegt, wie man mit Professionalität, mit Durchblick und Know how Low-Budget-Filme macht, kleine, intelligente Filme. Seine Argumentation läßt sich dahingehend beschreiben, daß er im weiteren den Versuch machte, innerhalb der kulturellen Filmförderung, die einen gegen die anderen auszuspielen versuchte mit dem Beispiel der „Jeanne Arc de Mongolia“, der kleine Projekte innerhalb eines Topfes für kulturelle Filmfördrung zum Opfer fallen würden.

Alf Bold blieb es vorbehalten, dem Filmbeauftragten des Senats im folgenden zu erklären, wie unterschiedlich Kunst bewertet wird und führte als Beispiel erstens die Geldbewilligungsmaßnahmen von Hans Neuenfels an, bei dem sich die Frage nach Kultur überhaupt nicht stelle und als weiteres Beispiel den Aufstieg der „Neuen Wilden“, die man erst ausgelacht habe. Die Frage, ob die verwackelte Kamera Kunst sei, dürfe also auch nicht nach den Kriterien gestellt werden, die zweifelhaft seien. „Es gibt im Bereich der kulturellen Filmförderung einen Bereich von Film, der durch alle diese Netze hindurchfällt, und das ist ein Teil der Kreativität, die langsam aber sicher vor die Hunde geht. Es gibt einfach keine Möglichkeiten für Filme, die vielleicht 5.000 DM kosten, die fliegen aus allen Förderungsmaßnahmen heraus.“

Christian Ziewer präzisierte das noch einmal, als er betonte, es sei wichtig, eine Umverteilung zugunsten des kulturellen Sektors vorzunehmen, das heißt sich nicht zufrieden zu geben mit den sogenannten Low-Budget -Produktionen, weil sich die Kultur nicht allein auf den Bereich beschränken will: „Zur Frage der Professionalität: gerade was die Produktion von ästhetischen Produkten angeht, eben nicht von der Mehrheit derer zu führen ist, die bis jetzt in diesen Gremien sind, weil alles, was wir heute vielleicht als Professionalität im Rahmen bestimmter Ästhetiken betrachten, und bestimmter Herstellungsformen, das war, als sie entwickelt wurden, absolut antiprofessionell war. Und da stellt sich die Frage, wem billigt man denn das Urteil zu, ob dieses ästhetische Produkt, was hier hergestellt werden soll, dieser Teil eines kulturellen Lebens, in seiner eigenen Gesetzmäßigkeit professionell ist? Ich glaube, da wird der Filmherstellungsprozeß ganz außerordentlich eingeschränkt durch das, was eben die, die über die Mittel verfügen, unter Professionalität verstehen. Das heißt, es ist eine ganz bestimmte Professionalität.“

Der Bereich des Vertriebs, des Verleihs, ebenfalls angesprochen, brachte dieselben beiderseitigen Einschätzungen in bezug auf die unterschiedlichen Sichtweisen mitsamt dem völligen Unverständnis des Filmbeauftragten, der die Umstände für Low-Budget -Filmvertrieb nicht kennt.

Das kann auch als erstes Ergebnis dieser sogennannten Diskussionsrunde festgestellt werden, daß nämlich der Filmbeauftragte seine Ansprüche an Filmemacher hat, die er mißt an den Vorstellungen von Filmschaffenden, die ausschließlich am Profit orientiert sind, die Kosten minimalisiert haben wollen bei möglichst großen Erträgen, während es den Low-Budget-Produzenten erst einmal um die Absicherung ihrer Kulturproduktion geht, die ohne Subventionen kaum zu realisieren ist. Es kotzt sie einfach nur an, daß ihre internationalen Festivalerfolge nur zum Schmuck des Kultursenators dienen, nicht aber sich niederschlagen in einer Minimalförderung für solche Produktionen, die mit wirtschaftlichen Argumenten niemals zu bewerkstelligen wären. Und nun hoffen alle auf einen neuen Kultursenator, von dessen Durchsetzungsvermögen es abhängen wird, daß nicht nur die Filmkultur von unten doch wieder nur mit Almosen abgespeist wird.

Qpferdach