Israel/Palästina-betr.: Leserbrief von Helga Schmidt vom 1.2.89

betr.: Leserbrief von Helga Schmidt vom 1.2.89

In diesem Fall von Israel/Palästina - wie in jedem anderen von intermenschlichen Beziehungen - muß man zuerst klar unterscheiden, wer der/die Unterdrücke/r und wer der/die Unterdrückte ist und diesen Unterschied weiterhin nicht verwischen; und dann sich voll mit dem Unterdrückten solidarisieren -, auch dann, wenn der/die UnterdrückerIn ein/e ehemalige/r Unterdrückte/r ist. Sanfte Kritik allein nützt nichts. Man muß auch Druck ausüben können in vielen Formen. In diesem Israel/Palästina-Fall, wäre das Resultat dieses Drucks gut auch für die Juden, damit sie ihre Hände und ihre Seelen nicht, oder nicht weiter, besudeln.

Helga Schmidt: „Diese Kritik (an Israel) und Protest darf jedoch nicht dazu führen, daß eine politische Solidarität eingefordert wird, sich ohne Fragen und Zweifeln auf die palästinensische Seite zu stellen, die der Intifada.“ Es ist eine Unterstellung, daß diejenigen, die sich auf die Seite der Intifada stellen, dies tun, ohne zuerst nachzudenken. Was hat Frau Schmidt gegen die Intifada? Sie ist eine Bewegung von unterdrückten Menschen, die Freiheit haben wollen, nicht aber, wie manche andere - auch Israelis an der Gegenseite - „alles oder nichts“.

Selbstverständlich muß man Antisemitismus, wie auch jeden anderen Rassismus von welcher Seite auch immer, bekämpfen. Die deutsche Vergangenheit soll und kann nicht vergessen werden: Sie ist in der Geschichte geschrieben. Aber wenn sich die deutschen Jugendlichen (und auch Nichtjugendlichen) mit ihr zuviel beschäftigen, bekommen sie einen Minderwertigkeitskomplex und haben nicht die moralische Kraft, gegen die in der Gegenwart von Israelis begangenen Verbrechen gegen die Menschheit anzukämpfen und laden auf sich jetzt neue Schuld, die Schuld der Unterlassung.

Helga Schmidt „möchte darüber nachdenken, welche Formen von Engagement so unterstützend sind, daß sie dazu beitragen, ein friedliches Zusammenleben von verschiedenen Völkern herbeizuführen“. Meine Antwort: Die Völker sollen das Herrschen lassen und sich aus den Gebieten zurückziehen, die ihnen nicht gehören. Helga Schmidt will Frieden. Ich will es auch. Aber Frieden ohne Freiheit ist eine Illusion. Es ist gut, daß es in Israel eine ziemlich große Friedensbewegung gibt, die sich mit der Intifada solidarisiert. Je mehr Israelis ihr angehören und je mehr Juden anderer Länder ihr helfen und sich mit ihr identifizieren, desto besser - auch gegen linken Antisemitismus.

Syma Popper, München