Khomeini: „Richtet Rushdie hin!“

Der Ayatollah ruft die Moslems in aller Welt zur Hinrichtung des Schriftstellers Salman Rushdie auf  ■  Aus London Rolf Paasch

Seit Monaten haben die Mullahs der islamischen Welt zwischen Islamabad, Teheran und dem nordenglischen Bradford ihre Gläubigen zu Protesten gegen die „Satanischen Verse“ des in London lebenden Schriftstellers Salman Rushdie aufgerufen. Nun maßt sich ausgerechnet ihr religiöser Führer Ayatollah Khomeini die Rolle des Satans an.

Nachdem Khomeini am Dienstag über Radio Teheran alle Moslems zur Vollstreckung des von ihm ausgerufenen Todesurteils an Rushdie aufgerufen hatte, hält sich der erfolgreiche Romanautor in Großbritannien unter Polizeischutz versteckt. „Ich informiere die stolzen Moslems in aller Welt“, tönte der Ayatollah über den Äther, „daß der Autor des Buches 'Satanische Verse‘, das gegen den Islam, den Propheten und den Koran gerichtet ist, und alle, die wissentlich an seiner Publikation beteiligt waren, hiermit zum Tode verurteilt sind. Ich fordere alle Moslems auf, diese Personen, wo auch immer sie sich aufhalten, hinzurichten.“

Der Mordbefehl Khomeinis ist der bisherige Höhepunkt einer langen Kampagne der moslemischen Mullahs gegen den angeblich „blasphemischen“ Roman des in Bombay geborenen Bestsellerautors Salman Rushdie. Nach dem Verbot der „Satanic Verses“ in Indien, Pakistan, Südafrika und Saudi -Arabien waren im Januar auch in der nordenglischen Einwanderer-Metropole Bradford Kopien des literarischen Teufelswerkes öffentlich verbrannt worden. Und erst am vergangenen Wochenende waren bei einer Demonstration gegen den amerikanischen Verlag Viking Penguin vor der US -Botschaft in Islamabad fünf Menschen ums Leben gekommen, als die pakistanische Polizei in die Menge schoß.

In Pakistan versuchen vor allem die fundamentalistischen Gegner der neu gewählten Premierministerin Benazir Bhutto aus dem Konflikt um den Roman politisches Kapital zu schlagen. In Großbritannien dagegen fürchtet das britische Außenministerium, daß Khomeinis Mordaufruf die vorsichtige Entspannung zwischen London und Teheran gefährden könnte. Nach diesem erneuten Ausbruch revolutionär-religiöser Rage sorgt sich London um das Schicksal des britischen Geschäftsmannes Roger Cooper, der 1985 in Teheran als Spion festgenommen wurde, und, wie gestern bekannt wurde, zu einer bislang noch unbekannten Strafe verurteilt worden ist. Während das moderatere iranische Außenministerium sich gerade in den letzten Wochen an einer Normalisierung der Beziehungen mit London interessiert zeigte, haben die fundamentalistischen „Hardliner“ um Premierminister Mir Hossein Mousavi versucht, solche Annäherungen zu torpedieren. Während einige religiöse Führer, wie der in Paris lebende Ayatollah Rouhani, trotz ihrer Kritik an dem Buch die theologische Basis des Hinrichtungsbefehls durch Khomeini in Frage stellten, unterstützten einige Führer der moslemischen Gemeinde in Großbritannien den Mordaufruf. Rushdie, dessen geplante Vorlese-Tournee durch die USA angesichts der zahlreichen Morddrohungen nun gefährdet ist, wehrte sich in einer Erklärung gegen den Vorwurf der Verunglimpfung des Islam durch sein fiktives Werk. Es sei schon ironisch, wenn nun ausgerechnet der in den „Satanischen Versen“ behandelte Konflikt zwischen säkularen und religiösen Ansichten den Roman einhole.