Imhausen-Geschäft seit 1985 bekannt

Die Bundesregierung wußte schon vor vier Jahren, daß die Lahrer Firma am Libyen-Geschäft beteiligt ist / Kabinett will Beteiligung am Atomwaffenbau nicht unter Strafe stellen  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Die Bundesregierung wurde bereits 1985 von dem Verdacht informiert, daß sich die Lahrer Firma Imhausen an der libyschen Giftgasproduktion beteiligt. Dies geht aus dem Bericht der Regierung hervor, der gestern dem Bundestag zugeleitet wurde. Am 5. Juli 1985 hatte die deutsche Botschaft in Moskau einen entsprechenden Hinweis aus „nichtöstlicher Quelle“ nach Bonn weitergeleitet. Damals war der Vertrag über ein Pharma-Projekt in Hongkong bekanntgeworden und als „tatsächliches Bestimmungsland“ bereits Libyen vermutet worden. Die Sonderwünsche des Auftraggebers und die Geheimhaltung hatten den Verdacht erregt, es könne sich um Giftgasproduktion handeln.

Trotzdem hält die Bundesregierung an der bisherigen Behauptung fest, daß erst drei Jahre später, im Juli 1988, beim BND Informationen vorlagen, die Anlaß zu Vorermittlungen boten. Ebenfalls erst in „allerletzter Zeit“ ist die Bundesregierung zu der Auffassung gelangt, daß die Anlage im libyschen Rabta zur Herstellung von Kampfstoffen nicht nur geeignet ist, sondern von vornherein dazu „bestimmt“ war. Aus der Chronologie im Bericht der Regierung geht jedoch hervor, daß es in den letzten acht Jahren etliche Hinweise auf Giftgasproduktion in Libyen gab, jedoch wurden Meldungen über mögliche Beteiligungen deutscher Firmen als „Gerüchte“ qualifiziert. Kanzleramtsminister Schäuble hielt trotz seiner neuesten Datensammlung, die von der SPD als „Offenbarungseid“ gewertet wird, gestern daran fest, daß alle notwendigen Fahndungsmaßnahmen zum richtigen Zeitpunkt eingeleitet wurden und daß eine frühere Informierung der Öffentlichtkeit aus rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen sei. Der Libyen-Bericht der Regierung wird am Freitag im Bundestag debattiert.

Die Bundesregierung will die Mitwirkung Deutscher an der Herstellung chemischer und biologischer Waffen unter Strafe stellen, aber vorerst nicht die Beteiligung am Atombombenbau. Die gestrigen Beschlüsse des Kabinetts zur Verschärfung des Außenwirtschaftsrechts sparen damit zumindest auf strafrechtlicher Ebene jenen Bereich aus, in dem sich eine Vielzahl sogenannter Exportskandale der Vergangenheit abgespielt haben, zuletzt die illegalen Exporte der hessischen Firma NTG nach Pakistan. Die Regierung beschloß, lediglich zu „prüfen“, ob Strafbestimmungen im Nuklearsektor „abschreckend“ wirken würden, erläuterte Wirtschaftsminister Haussmann (FDP).

Das Verbot der Beteiligung an B- und C-Waffen gilt im Inland wie im Ausland, allerdings mit einer gewichtigen Einschränkung für C-Waffen: „Dienstliche Handlungen“ bei „verbündeten Truppen“, bzw. für „integrierte Nato -Verwendung“ sind nicht strafbar. Das heißt: Deutsche dürfen den Amis bei der Herstellung ihrer neuen chemischen Binärwaffen weiterhin helfen. Die Beihilfe zur chemischen und biologischen Aufrüstung im nichtverbündeten Rest der Welt wird mit zwei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Für Ordnungswidrigkeiten soll das maximale Bußgeld von derzeit 500.000 auf eine Million Mark verdoppelt werden. Für die Verfolgung dieser Delikte ist das Bundeskriminalamt zuständig, das vom Bundesamt für Wirtschaft künftig Kurzdaten über Verdachtsfälle erhalten soll.

Sensible Produktionen im Nuklear-, Chemie- und Bio-Bereich unterliegen künftig einer Meldepflicht gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft, das personell aufgestockt werden soll. Acht Chemikalien, die als Vorprodukte der Kampfstoff -Herstellung gelten, unterliegen künftig einer zusätzlichen Genehmigungspflicht. Diese Maßnahme wird als Zugeständnis an die USA gewertet, da diese Stoffe dort bereits auf dem Index stehen - in der Bundesrepublik werden sie allerdings zum Teil gar nicht hergestellt, wie Minister Haussmann einräumte. Unklar ist bisher, welche Anlagen, die zur Herstellung von Bio-Waffen geeignet sind, genehmigungspflichtig werden sollen.