„Motorradrowdies“ müssen hinter Gitter

■ Gefängnisstrafe ohne Bewährung für zwei junge Männer, die mit ihren Motorrad-Maschinen eine 19jährige Fahrradfahrerin zu Tode fuhren / Urteilsbegründung mit Härte für das „allgemeine Rechtsempfinden“

„Reine Mordwerkzeuge“ seien das, erklärte der Vorsitzende Richter am Landgericht, die eigentlich nicht verkauft werden dürften. Im üblichen Sprachge brauch werden sie „Motorräder“ oder auch „Maschinen“ genannt. Mit 100 PS und 200 Kilometern pro Stunde sind zwei davon am 8.9.1987 über die Autobahn aus

Zeven gekommen und weiter über die Neuenlander Straße durch Bremen gebrettert - an der Kreuzung Friedrich-Ebert-Straße schleifte einer der beiden eine Fahrradfahrerin 50 Meter weit mit, die ihr Rad zu Fuß über die Straße schieben wollte. Gestern wurden die beiden wegen vorsätzlicher und gemeinschaftlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu Gefängnisstrafen von 24 bzw. 18 Monaten verurteilt -ohne die „Bewährung“, zu der das Amtsgericht in erster Instanz die Strafe ausgesetzt hatte.

„Es würde der Allgemeinheit unverständlich sein“, wenn sie mit einer Bewährungs-Strafe davonkämen, begründete das Gericht den harten Spruch. Besondere Umstände für eine Aussetzung der Strafe gebe es nicht, die „Verteidigung der Rechtsordnung“ hätte auch sonst eine Vollstreckung der Strafe erfordert, um das „allgemeine Rechtsempfinden“ und das „Vertrauen der Bevölkerung“ in die Festigkeit derselben nicht zu untergraben.

Die Geschichte, die in der Berufungsverhandlung (vgl taz 3.2.) zum zweiten Mal öffentlich

verhandelt wurde, ist in der Tat geeignet für den Volkszorn. Die beiden jungen Männer hatten schon die gesamte Neuenlander Straße entlang diverse Autofahrer durch ihre gewagten Überholmanöver und ihre mörderisch überhöhte Geschwindigkeit in Schrecken versetzt. An der Kreuzung waren sie dann so schnell angefahren, daß einer der beiden schon nach 270 Metern wieder abgebremst die 19jährige Fahradfahrerin mit einer Geschwindigkeit erfaßt hatte, die vom Sachverständigen mit mindestens 110 km/h rekonstruiert wurde. Der andere, ein KFZ-Mechaniker, war knapp an der jungen Frau vorbeigerast.

Die entscheidene Frage für die Urteilsfindung war angesichts klarer Zeugenaussagen, ob die Strafen zur Bewährung ausgesetzt werden konnten und ob der KFZ -Mechaniker als Mit-Täter auch zu verurteilen sei. Eine „innere Rücksichtslosigkeit, die ihresgleichen sucht“, fand das Gericht: Sie hätten sich gegenseitig aufgeschaukelt, nur durch das „Zusammenspiel“ sei es zu der Raserei gekommen, also hätten

beide „gemeinschaftlich fahrlässig“ gehandelt - „auf der Grenze zum Totschlag“.

Die Radfahrerin hätte an der Stelle nicht die Straße überqueren, sondern zur nächsten Fußgänger-Ampel gehen sollen, meinte der Anwalt des Mit-Täters einwenden zu müssen. Der Sachverständige hatte allerdings vorher erklärt, daß bei vorschriftsmäßiger Fahrweise die Motorradfahrer ihre Maschinen auf 30 Metern zum Stehen hätten bringen können. So weit vor dem Ort der „Kollision“ mit der Radfahrerin begannen die Motorrad-Bremsspuren. Der Richter stellte klar: „Sie durfte die Straße überqueren in der Überzeugung, nicht von anderen Verkehrsteilnehmer überfahren zu werden.“

Tränen auf beiden Seiten gab es nach der Urteilsverkündung: Tränen der Mutter der zu Tode Gefahrenen, die auch durch das strenge Urteil nicht wiederbekommt, Tränen bei Bekannten des KFZ-Mechanikers, der für seinen Spaß und das Unglück seines Kumpels nicht nur den Beruf verloren hat, sondern jetzt auch hinter Gitter muß.

K.W.