„Aber es ist schlimm genug“

Ein Video über Joszef B. und HIV-Positive am Arbeitsplatz  ■ P O R T R A I T

Von Manfred Kriener

Joszef sitzt mit seiner Mutter am Küchentisch. Die Nachbarin kommt dazu. Die kleinen Sorgen des Alltags werden besprochen. Die Nachbarin ist das, was man eine „einfache Frau“ nennen würde, aber sie hat ihre Lektion gelernt: „Kontakt halten, wie es der Herr Friedrichs im Fernsehen gesagt hat, ganz normal reinkommen, als wenn nichts wäre, das ist das wichtigste“.

Für den HIV-Infizierten Joszef B. sind alle Kontakte wichtig, seitdem er sich entschieden hat, daß er „kämpfen“ und „leben“ will. Sein Kampf brachte ihn bis vors Bundesarbeitsgericht (s. Bericht S.2), wo er gestern für sein Recht auf Arbeit stritt - und verlor.

Am 15.11. 1987 war dem Florist von dem Düsseldorfer Blumengroßhändler Hans-Joachim Muschkau gekündigt worden. Nach einem Suizid-Versuch mit anschließender Krankschreibung hatte Joszef seinen Arbeitgeber über die Infektion informiert. Eine Arbeitskollegin erinnert sich: Joszef sei begabt gewesen in seinem Beruf, besser als die meisten anderen. Sie mochte ihn, aber: „Die Angst vor Aids war da.“

Die Reaktionen am Arbeitsplatz waren sehr unterschiedlich. Eine Kollegin gab Joszef nicht mehr die Hand. Eine Auszubildende wurde von ihren Eltern aus dem Betrieb geholt. Eine andere Kollegin sah „keine Probleme“. Joszef hatte sein eigenes Messer und sein eigenes Handtuch. „Man kann sich mal schneiden“, sagt er, aber er habe immer aufgepaßt.

Schwierig wird es für Joszef, wenn er in seiner Straße einkaufen will. Der Kioskbesitzer an der Ecke will ihm Hausverbot erteilen. Mitleid? „Nein, nicht bei solchen Menschen. Wenn jemand durch Zufall drangekommen ist, durch eine Blutübertragung, die tun mir leid.“ Wenn sich jemand als Homosexueller infiziert hat, da gibt es für den Mann am Kiosk nur eines: „Ab in den Sack. Und Knüppel drauf. Dann können die keinen mehr anstecken.“ Der Mann sagt dies vor der Kamera der Berliner Medienoperative.

Auch die Besitzerin eines Zeitungsladens zeigt keine Scheu. „Als der hier reinkam, da kribbelte es mir am ganzen Körper. Ich konnte ihn einfach nicht bedienen. Solange ich es nicht gewußt habe, war es gut, aber dann...“ Künftig werde sie bei allen Kunden das Wechselgeld „nur noch hinlegen“.

Joszef sucht dennoch nach Gelassenheit. Er habe nicht soviel Schlimmes erfahren, „aber es ist schlimm genug“. Das Schlimmste war die Konfrontation mit dem positiven Testbefund im Frühjahr 1987. „Wieso kann jetzt Frühling sein, dachte ich, wieso können jetzt die Krokusse blühen, warum ist der Himmel blau?“

Video über Joszef B. „Schlimm genug“, 25 Min., 30 DM, Medienoperative Berlin, Potsdamer Str. 96.