GERETTETE TAGE

■ Bernhard Kellers „Bildertagebuch“ in der Galerie Weber

366 Tage lang hat der Maler Bernhard J. Keller ein Bildtagebuch angelegt, für jeden Tag ein Blatt im DIN-A-4 -Format. Die Idee scheint einfach, und doch verlangt ihre Ausführung eine strenge Disziplin - jeden Tag eine Konzentrationsübung, ein Reflektieren auf das Gewesene. Jeder Tag wird noch einmal beobachtet, bestätigt, abgesichert, Wahrnehmung und Erfahrung werden präzisiert und strukturiert. Die Erinnerung, die sonst vielleicht einzelne Stunden herausgreift und andere Tage undifferenziert zusammenschnurren läßt, erfährt eine regelmäßige Skandierung.

Der Maler rettet im „Bildertagebuch“ seine Individualität und versucht täglich, sein Leben in Kunst zu veräußerlichen.

Keller hat mit Tinten, Tuschen, Acryl-, Aquarell und Wachsfarben gemalt und alle Blätter mit einer Fixierung überzogen, die ihnen marmornen Glanz verleiht. Er schreibt in Spiegelschrift das Datum und andere Notizen hinein, und oft strukturiert er die Farbe mit abstrakter Kalligraphie, einem nicht zu buchstabierenden und doch expressiven Text. Als Linkshänder gibt er den Farben meist eine ungewohnte und erstaunlich irritierende Dynamik aus dem Schwung der zeichnenden Hand.

Versucht man einmal, die Blätter zu übersetzen, dann entdeckt man bald ihren Formulierungsreichtum. Wenn sich auch nur selten konkrete Bezüge wie eine Häuserzeile oder die Fahrt eines erleuchteten Zuges durch die Nacht erkennen lassen, so lesen sich in ihren Farben und Formen doch Zustände der Erinnerung. Da gibt es die dichten Blätter, gedrängt voll mit vielen übereinandergelegten Schichten; dagegen stehen die lichten, hellen, in denen nur einzelne Sprengsel aufsteigen. Keller erzählt von aufgeräumten Tagen und von solchen, auf die alles von außen einstürzt; von den glasklaren und von den verdunkelten, von den leicht beginnenden und den träge versinkenden, von den heftigen und den ruhigen Tagen. Die 366 Blätter gleichen einem Film ohne zwingenden Anfang und Ende, aus denen der Betrachter nach eigener Laune seine Sequenzen auswählt.

kbm

Bernhard F. Keller in der Galerie Christof Weber, Stierstr. 8, 1-41. Bis zum 25.2. Do, Fr 16-19 und Sa 12-16 Uhr.