RAF-Aussteiger? Wähle 0221/ 511395

■ Verfassungsschutzchef Boeden will mit Aussteigern aus RAF, RZ und Rote Zora „gemeinsam Perspektive suchen“ / Aussteiger sollen sich „vertrauensvoll“ beim Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln melden

Berlin (taz) - Der oberste Verfassungsschützer der Republik, Gerhard Boeden, hat aussteigewillige Mitglieder der RAF und anderer bewaffneter Gruppen in der Bundesrepublik erneut aufgefordert, sich vertrauensvoll an sein Kölner Amt zu wenden. Die Initiative des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) war erstmals im Herbst 1987 vom Frankfurter Stadtmagazin 'Pflasterstrand‘ als „Angebot des Jahres“ präsentiert worden. In einem Schreiben an den Berliner Rechtsanwalt und Vorsitzenden des Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltvereins, Klaus Eschen, beteuert jetzt der Präsident des Bundesamtes, das „Angebot“ sei „sowohl mit dem Bundesminister des Innern wie auch mit dem Generalbundesanwalt abgestimmt worden“. Man wolle „einzelnen Angehörigen (von RAF, RZ, Rote Zora, d.Red.) die Chance bieten, sich aus den Verstrickungen zu lösen und sich damit dem Gruppenzwang zu neuen Straftaten zu entziehen“. Ziel sei es, „gemeinsam nach einer Lösung und einer Perspektive für das weitere Leben zu suchen“. Gleichzeitig läßt Boeden keinen Zweifel daran, daß es nicht darum gehe, „die Fahndung nach terroristischen Straftätern zu suspendieren“.

Erste Kontakte zu „aussteigewilligen Terroristen“ will Boeden bereits geknüpft haben. Die Hilfe werde „nicht von einer Selbstbelastung oder Aussagen über andere“, also einer Kronzeugenrolle der Aussteiger, abhängig gemacht. Auch werde man keinen „Kontakt oder Kontaktversuch dazu nutzen, einen Fahndungshinweis an Strafverfolgungsbehörden zu geben“. Interessenten aus dem Untergrund könnten „den Weg zum BfV über Bekannte oder Rechtsanwälte suchen“ oder alternativ jeweils montags - direkt beim zuständigen BfV-Kollegen Benz unter der Rufnummer 0221/511395 anläuten.

Der Verfassungsschutz-Chef reagierte mit der im Berliner 'Volksblatt‘ veröffentlichten Erklärung auf einen kritischen Beitrag Eschens in derselben Zeitung. Darin hat sich der Rechtsanwalt mit der Frage beschäftigt, was hinter dem „unkonventionellen“ Vorschlag des Verfassungschutzes stecken könnte: „Falle, Seifenblase oder ernstzunehmender Versuchsballon?“

Bis heute habe niemand eine Vorstellung, „wie ein solcher Plan konkret funktionieren könnte“, schreibt Eschen. Mißtrauen in die Ernsthaftigkeit des Vorschlags sei insbesondere wegen der unverändert harten Linie angebracht, mit der das Bundesinnenministerium, das BKA und die Bundesanwaltschaft die Mitglieder oder ehemaligen Mitglieder bewaffneter Gruppen in der Bundesrepublik verfolgten.

gero