DC-Strömungshäuptlinge planen Königsmord

Der Reformer der italienischen Christdemokraten (DC), DeMita, ist gescheitert / Seine Partei steht vor der Zerreißprobe / Wiederwahl DeMitas als Generalsekretär ist auf dem Parteikongreß am Wochenende fraglich / DeMita sucht Vertrauensvotum für Regierungsarbeit  ■  Aus Rom Werner Raith

Angetreten war er mit einem Vertrauensvorschuß, wie ihn seit Aldo Moro, der 1978 von den Roten Brigaden ermordet wurde, kein christdemokratischer Politiker des Landes je hatte. Jetzt, nach sieben Jahren als Partei- und Regierungschef bleibt Ciriaco DeMita (61) nicht viel mehr als der Scherbenhaufen eines in Europa bisher einzigartigen Unternehmens: die Reform einer seit vierzig Jahren unentwegt regierenden Partei konservativ-katholischen Zuschnitts, in der sich überdies ein halbes Dutzend teilweise regelrecht feindliche Strömungen gesammelt hat. Da gibt es den linken, an der christlichen Soziallehre Johannes XXIII.ausgerichteten Flügel, den einst Moro führte und aus dem DeMita selbst stammt: Er umfaßt derzeit rund 30 Prozent Parteimitglieder. Im vergangenen Jahr bildete sich aus mehreren Grüppchen um Innenminister Gava , der immer wieder im Verdacht der Nähe zur Camorra steht, das Zentrum („Arizone popolare“); diesem gehören etwa 35 Prozent der Partei an. Weiterhin existiert die Klientel des ewigen Stehaufmännchens, fünfmaligen Ministerpräsidenten und derzeitigen Außenministers Giulio Andreotti mit ca.20 Prozent - politisch ist diese Gruppierung überhaupt nicht einzuordnen, weil sie ausschließlich um das Wohl des pragmatischen Strömungshäuptlings kreist. Klein, aber durchaus einflußreich ist das Fußvolk des erzkonservativen Gesundheitsministers Donat-Cattin mit fünf Prozent; auch die alte Garde des siebenmaligen Ministerpräsidenten Amintore Fanfani zählt mit etwa vier Prozent noch. Dazu hat sich auch noch eine Fraktion aus Wanderern zwischen den Welten konstituiert („pontieri„Brückenbauer) mit gerade drei Prozent.

Als DeMita 1982 die DC als Verlegenheitskandidat übernahm, durchwanderte die Partei das tiefste Tal ihrer Geschichte von nahezu der absoluten Mehrheit war sie auf gerade noch 32 Prozent abgerutscht, der Vorbeimarsch der Kommunisten (30 Prozent) schien nahe. DeMita erkannte, daß sich sein Haufen vor allem in Strömungskämpfen zerrieben und im Wahlvolk durch Skandale jede Vertrauensgrundlage verloren hatte. Er suchte die Macht der Häuptlinge zu mindern, indem er die Parteitage zu Plebisziten für den Parteichef ausbaute und so die Absprachen der Strömungschefs unterlief.

Ein Vorgehen, das ihm seine innerparteilichen Gegner niemals verziehen haben - und das sie nur so lange duldeten, wie DeMita ganz offensichtlich durch weitere Wahlmißerfolge wenig Macht und noch weniger allgemeines Ansehen sammelte. Doch dann half ihm einer zu Prestige, der dies am allerwenigsten wollte - sein politischer Erzrivale Bettino Craxi, Vorsitzender der Sozialisten und von DeMita drei Jahre lang zähneknirschend im Amt des Ministerpräsidenten geduldet. Seinem offen machthungrigen Wesen stellte DeMita ein nachdenkliches, auf kollektive Entscheidung abstellendes Verhalten entgegen; darüber hinaus gelang es ihm gerade an einem besonders neuralgischen Punkt, die von ihm reklamierte Erneuerungsfähigkeit zu dokumentieren - in Palermo. Dort stellte er die notorisch mafiose Insel-DC unter Kommissariat, holte den jungen Leoluca Orlando an die Spitze der Rathauskoalition und stützt diesen seit zwei Jahren gegen die vehementen Angriffe der wegen ihrer neuen Mafianähe von der Allianz ausgeschlossenen Sozialisten Siziliens. Die Sympathiewelle für den mutigen Bürgermeister Orlando ließ auch die Popularität seines Gönners DeMita steigen.

Doch das hatte seine Kehrseite: Je stärker sich DeMita als Parteichef zeigte, um so weniger Ausreden fand er gegen das allseits herangetragene Ansinnen, nun auch das Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen. 1988 wurde er Regierungschef - und spätestens seither mußte er täglich mit dem Beginn des Lieblingsspiels aller italienischen Politiker rechnen, dem Königsmord.

Den wollen sie nun am kommenden Wochenende auf dem Parteikongreß zelebrieren - genüßlich und ohne Ausflucht für DeMita. Seit Monaten wurde der Ministerpräsident im Kabinett wie außerhalb systematisch demontiert. PSI-Craxi brauchte dabei nur selten mitzuhelfen - die Strömungshäuptlinge besorgten das ganz alleine.

Sie wollen nun einen neuen, möglichst schwachen Parteisekretär küren, um ungestört die Machtpfründe wieder unter sich aufzuteilen: Neben dem derzeitigen einflußlosen Parteipräsidenten Forlani kommen Innenminister Gava, der Fraktionsvorsitzende Martinazzoli und der einstige DeMita -Assistent Scotti in die engere Wahl. Es könnte aber auch Andreotti oder einer seiner Palladine werden, wenn die anderen sich gegenseitig paralysieren. Für ein zu DeMita alternatives Programm steht dabei keiner von ihnen - schon alleine aus dem Grund, weil auch DeMita längst keines mehr hat.

DeMita hat sich gleichwohl vorgenommen, wenigstens noch einen Versuch zu seiner eigenen Rettung zu unternehmen. Er will die Wahl mit einer Art Vertrauensvotum für seine Regierungsarbeit verbinden, was die Rivalen zur Solidarität zwingen würde. Danach möchte er durch eine Statutenänderung den Vorsitzenden nur noch direkt vom Parteivolk, nicht mehr vom strömungsbeherrschten Kongreß wählen lassen. Komme er nicht durch, so droht DeMita, werde er sich aus der Politik zurückziehen und wieder als Hochschullehrer wirken. „Eine gute Idee“, soll Andreotti gespottet haben, „gute Professoren kann man nicht genug haben.“