FMLN erschießt prominenten Deserteur

Miguel Castellanos, ab 1982 Führer der Guerillafront in der Hauptstadt, sprang im 1985 von der FMLN ab / Er soll für 19 Verhaftungen verantwortlich sein / Guerilla greift Militärstützpunkt an  ■  Von Thomas Schmid

Berlin (taz) - Der ehemalige Guerillakommandant Miguel Castellanos, der 1985 von der FMLN abgesprungen ist, wurde am Donnerstag in San Salvador erschossen. Kurz nach Einbruch der Dämmerung wurde sein Wagen von einem Stadtkommando der Guerilla angehalten und von über 50 Schüssen aus schwerkalibrigen Waffen durchsiebt. Der FMLN-Sender „Radio Venceremos“ meldete, Napoleon Romero (so hieß der Ex -Guerillero mit bürgerlichem Namen) habe sich in den Dienst der Reagan-Administration und ihrer Pläne zur Aufstandsbekämpfung gestellt und „verschiedene Genossen ausgeliefert“. Beim Überfall wurde auch ein Leibwächter von Castellanos erschossen und ein weiterer verletzt.

Der 40jährige Miguel Castellanos, der bislang höchstrangige Guerillero, der abgesprungen ist, war 1974 der FPL, einer der fünf Guerillaformationen, die heute in der FMLN zusammengeschlossen sind, beigetreten, ging 1977 in den Untergrund, wurde 1981 ins ZK der FPL gewählt und war von 1982 bis 1985 Führer der Guerillafront in der Hauptstadt. Im Mai 1985 wurde sein Versteck in San Salvador gestürmt, eine Woche lang wurde Castellanos danach von der Guardia Nacional unter Verschluß gehalten und anschließend der Öffentlichkeit als desertierter Guerillaführer präsentiert. Der Ex -Kommandant selbst behauptete, seinen Absprung sorgfältig vorbereitet zu haben. Sein Bruch mit der Guerilla habe 1983 eingesetzt, als er nach Managua gesandt wurde, um den Mord an der FMLN-Kommandantin Ana Maria und den Selbstmord des Guerillaführers „Marcial“ zu untersuchen. Ana Maria, Nummer Zwei der FPL, war aufgrund politischer Divergenzen im Auftrag von „Marcial“ in Managua erstochen worden.

Nach Angaben der FMLN wurden bei der Festnahme des Ex -Kommandanten und in den Tagen danach aufgrund seiner Aussagen 19 weitere Genossen in Haft genommen und zum Teil schwer gefoltert. Mindestens drei von ihnen seien bis heute „verschwunden“.

Auf verschiedenen Auslandsreisen - im Herbst 1986 auch in die BRD - hatte Castellanos immer wieder die Beschuldigungen der salvadorianischen Regierung und Militärs bestätigt, wonach die FMLN Waffen aus Kuba erhalte und taktisch einen politischen Pluralismus akzeptiere, um später eine Diktatur zu errichten. Bis zu seinem Tod war der Ex-Kommandant Leiter des „Zentrums für Studien für die Nationale Wirklichkeit“, das von der US-Entwicklungsbehörde AID finanziert werden soll und wo drei weitere Ex-Guerilleros beschäftigt sind.

Während am kommenden Montag in Mexiko Vertreter von 13 Parteien El Salvadors mit der FMLN Gespräche über deren Friedensvorschlag führen wollen, tritt die Guerilla im Land selbst den Beweis an, daß sie im Fall negativer Ergebnisse zu einer Eskalation des Krieges durchaus fähig ist: Im Departement La Paz im Süden des Landes tötete sie bei einem Angriff auf einen Militärstützpunkt nach eigenen Angaben 105 Soldaten.