Ausländerfeindlichkeit in der Bischofsstadt

Bamberg: Serie von Brandanschlägen gegen Flüchtlingsunterkünfte / Polizei überwacht alle Heime / Flüchtlinge vor allem aus Osteuropa  ■  Von B.Siegler und D.Ennsle

Bamberg (taz) - „Das sind doch auch Menschen.“ Auf diesen Minimalkonsens hat sich die alte Frau geeinigt, als sie mit Einkaufstüten in der Hand die verrußte Fassade des einstöckigen Hauses in Memmelsdorf, einem Vorort der oberfränkischen Bischofsstadt Bamberg, betrachtet. Die feinen Glassplitter am Boden zeugen noch von zwei Molotow -Cocktails, die Unbekannte in der Nacht zum Dienstag gegen das Haus geschleudert haben. Nichts deutet darauf hin, daß in dem Haus derzeit 15 Flüchtlinge aus Ungarn und Polen wohnen. Mit Gleichgültigkeit reagieren die Memmelsdorfer Bürger auf das nächtliche Geschehen, der katholische Pfarrer verweist darauf, daß ein „Asylant“ dem Staat im Monat „schließlich 2.300 DM kostet“. Die Flüchtlinge leben in Angst, tagsüber bleiben die Rolläden im Parterre geschlossen. 24 Stunden nach diesem Anschlag fliegt ein Molotow-Cocktail an die Wohnungstür eines Wohnblocks in der Breitenau am Rande von Bamberg. In dieser ehemaligen Obdachlosensiedlung sind ebenfalls Flüchtlinge, überwiegend aus Osteuropa, untergebracht.

Von der „Wärme gewachsener Strukturen und menschlicher Maßstäblichkeit“, die nach Ansicht von CSU-Oberbürgermeister Röhner die Bischofsstadt von anderen Städten unterscheiden läßt, können die in Bamberg untergebrachten Flüchtlinge nur noch träumen. In der Silvesternacht drangen Unbekannte in eine Flüchtlingsunterkunft in der Bamberger Innenstadt ein, gröhlten rechtsradikale Parolen und ließen Feuerwerkskörper im Haus explodieren. Erst nachdem eine Woche später wieder Unbekannte eingedrungen waren, „Kanaken go home“ an die Wand gesprüht und ein Ofenrohr von einem brennenden Ofen gerissen hatten, brachte der Hausmeister ein Schloß an der Eingangstür an. Drei Tage später mußte im Bamberger Stadtteil Gaustadt ein Heim nach einer Bombendrohung evakuiert werden.

„In der Stadt brodelt es“, kommentiert Rudi Sopper, Stadtrat der Grün-Alternativen-Liste, die derzeitige Stimmung in Bamberg. Er meint nicht die spontane Gegendemonstration, die nach dem letzten Anschlag durch die Innenstadt gezogen ist, sondern die Ausländerfeindlichkeit, die mittlerweile über das Stadium des Stammtischgeredes hinausgegangen sei. Mit einer Dringlichkeitsanfrage will die GAL diese Stimmung thematisieren und die Stadt zum Handeln auffordern.

Jahrelang hatte sich Bamberg standhaft und erfolgreich gegen die Aufnahme vom Flüchtlingen gewehrt. Als vor einem halben Jahr die Regierung von Oberfranken die Unterbringung von Flüchtlingen angeordnet hatte, sorgte die Stadtverwaltung durch eine unpopuläre Maßnahme für Ärger. Sie forderte die Bewohner in der ehemaligen Obdachlosensiedlung an der Breitenau, die inzwischen auf eigene Kosten ihre Einfachstwohnungen saniert hatten, auf, binnen einer Woche umzuziehen. So sollte ein Wohnblock für Flüchtlinge freigemacht werden. Auch die schlecht recherchierte Meldung des 'Fränkischen Tag‘ mit der Überschrift „Asylbewerber machten Zoff - Lebensmittel zertrampelt“ heizte die Stimmung an. Sie wurde zwar später korrigiert, nur ein Flüchtling aus dem Stephansberg hatte Lebensmittel auf die Straße geworfen, doch wenige Tage später kam es dort zu ausländerfeindlichen Sprühereien.

Nach den letzten Anschlägen hat die Polizei eigens eine Sonderkommission gebildet und die Überwachung aller Flüchtlingsunterkünfte angeordnet. Dennoch weigert sie sich, von einer rechtsradikalen Szene in und um Bamberg zu sprechen. Sopper drängt sich inzwischen der Eindruck auf, daß „ein gewisses Maß an Aggressivität von der Polizei als nicht zu schlimm empfunden wird.“ Als im April 1987 Mitglieder der rechtsextremen „Freiheitliche Arbeiterpartei Deutschlands“ (FAP) in der Innenstadt sich an einem genehmigten Infostand mit dem leicht abgewandelten Hitlergruß postiert hatten, blieb die Polizei untätig. Von einem Passanten darauf angesprochen, erwiderte ein Beamter lapidar: „Ich sehe nichts.“ Am 8.Mai 1987 beschloß der Bamberger Stadtrat einstimmig, allen „alt- und neonazistischen Organisationen künftig weder Informationsstände zu genehmigen noch städtische Räume zur Verfügung zu stellen“. Doch schon einen Tag später waren wieder FAP-Aktivisten, darunter der stadtbekannte Stefan Manneck, zur Stelle und konnten ungestört Flugblätter in der Fußgängerzone verteilen. Bei dem letzten Brandanschlag in der Breitenau hält die Polizei auch einen Familienstreit als Motiv für möglich. Ein zur Überwachung der Heime abgestellter Beamter will nicht ausschließen, daß die Flüchtlinge selbst das Feuer gelegt hätten um auf sich aufmerksam zu machen.

Nicht erst seit dem Verbot von Kühnens „Nationaler Sammlung“ dürfte der Polizei die Existenz einer rechtsextremen Szene im Raum Bamberg bekannt sein. Bei der Durchsuchung der Wohnung von Manneck fanden LKA-Beamte Aufkleber mit NS-Symbolen, eine Schreckschußpistole, ein Bajonett, zwei Stahlhelme und Gasmasken. Das Innenministerium gab zu, daß am 19.11.88 in Lichtenfels, 20 Kilometer von Bamberg entfernt, ein „Gautreffen“ unter Kühnens Leitung stattgefunden hat. Die Orte Staffelstein und Lichtenfels gelten schon lange als traditionelle Hochburgen der NPD. Organisiert von dem Staffelsteiner Postbeamten Winfried Breu, einem ehemaligen NPD-Funktionär, und dem NPD -Bezirksvorsitzenden Helmut Dietl in Lichtenfels, hat sich in Zusammenarbeit mit FAP-Mitglied Manneck im Landkreis Bamberg eine starke rechtsradikale Szene heraugebildet. Schon Zwölf- bis 14jährige finden den Weg über Skindheads zu den Rechtsradikalen. Der Bamberger NPD-Landtagskandidat Leicht hatte zum Beispiel in Staffelstein auf einem ihm gehörenden Schrottplatz in einer Garage für die Jugendlichen Freibier ausgeschenkt und Videoclips „zur Auschwitzlüge“ vorgeführt. Flugblätter der neonazistischen Wiking-Jugend kursierten in Staffelstein bei Tanzveranstaltungen, einige Schüler tragen „Apartheid-Ja„- Buttons oder die NPD-Sticker „Ein Herz für Deutschland“.