Werder vernieselt

■ Regenschirme und Glühwein-Verkäufer starteten Rückrunde der Bundesliga / Anzeigentafel sorgte beim 2:0 des HSV noch für den erfreulichsten Anblick

Ein gutes Vierteljahr kein Heimspiel des HSV mehr. Aber nur 21.000 tapfere Besucher samt einiger tausend Regenschirme machten sich am Sonnabend auf matschigem Weg gen Volksparkstadion, um das Spiel gegen Meister Werder zu sehen. Am Ende hatte der HSV 2:0 gewonnen, und doch durften am Ende nur die Glühweinverkäufer zufrieden sein unablässiger Nieselregen sorgte für den nötigen Durst. Die hochbezahlten Kicker selbst boten derweil wenig Anlaß, die widrigen Wetterverhältnisse vergessen zu lassen.

Erst in der neunten Minute jubelt das Publikum - auf der Anzeigetafel wird vermeldet, daß der St. Pauli in Nürnberg mit 1:0 in Führung gegangen ist. Kurz darauf ein Stöhnen: Nürnberg hat ausgeglichen. Derweil greifen die Hamburger vor allem über den rechten Flügel an, wo Manfred Kaltz allerdings allzu oft den Ball ins Aus befördert. 15. Minute: Jubel , St. Pauli führt 2:1. Auf dem Spielfeld versuchen sich beide Teams mit schlechtem Kombinationsspiel zu übertreffen, wobei die Bremer in den Zweikämpfen meist die Nase bzw. die Schuhspitze vorn haben. Bester Bremer Spieler zu diesem Zeitpunkt: Michael Kutzop mit fehlerlosen Rückpässen zu Torwart Oliver Reck. 26. Minute: Nürnberg gleicht aus.

Spielte der HSV eine Halbzeit lang aus einer geschlossenen Abwehr (HSV-Trainer Willi Reimann: „Kompaktes Mittelfeld“), was das Spiel auch nicht ansehn

licher machte, entschlossen sich Uwe Bein und Thomas von Heesen zu Beginn der zweiten Spielhälfte, ein bißchen Richtung Werder-Tor zu stürmen. Mit Erfolg: Eine Minute nach der Pause gelingt Bein das 1:0.

„Ich wußte, daß das nicht mehr aufzuholen sein würde“, sagte Werder-Trainer Rehhagel nüchtern nach dem Spiel. Seine Spieler glaubten das offenbar auch. Anstatt zu stürmen und wenigstens ab und zu mal im Training tausendfach geübte Pässe zu wagen, verkrochen sich die Meister-Spieler in der eigenen Hälfte. Zur

Strafe schoß von Heesen - nachdem der HSV-Sturm die Abseitsfalle der Gäste klug auseinandergepfriemelt hatte das 2:0. Fünf Minuten später steht es in Nürnberg 3:3 - die Anzeigentafel fasziniert zu längst mehr als das Geschehen auf dem Rasen. Zehn Minuten vor Schluß gelingt in Nürnberg das 4:3 und bald darauf das 5:3. „In Nürnberg müßte man jetzt sein“, sagt ein Zuschauer betrübt, der nach 14 fußballosen Wochen endlich wieder einen sinnvollen Samstagnachmittag verbringen will.

In Nürnberg hat der FC St.

Pauli die Überraschung nicht geschafft. In Hamburg war es fast egal, wer nun mit welchem Ergebnis ... Eine Frage blieb nach der Pressekonferenz allerdings offen: Wo war Otto Rehhagel während des Spiels? Er behauptete jedenfalls, der HSV habe fast alle Zweikämpfe gewonnen. Warum hat man ihm nicht erzählt, daß seine Spieler besagte Nahkämpfe fast immer für sich entschieden, der HSV am Ende dank zweier überragender Mittelfeldspieler und viel Glücks nur zwei Tore mehr auf dem Konto hatte.

Jan Feddersen