Seh'n oder Nichtseh'n

■ ARD: „Goldene Kamera 1988“, mit Gert Ellinghaus als Möchtegern-Gesellschaftslöwe

Die Berlinale ist noch nicht zu Ende, die Bären sind noch nicht verliehen - eine günstige Gelegenheit also fürs Fernsehen an und für sich, schnell noch die alljährlich stattfindende Verleihung der „Goldenen Kamera“ selbstgefällig dazwischenzuplazieren und aus dem Springer -Hochhaus die „Hörzu„-Nabelschau zu präsentieren. Nicht live - die Verleihung war schon am Donnerstag -, sondern als hirnlosen Zusammenschnitt, zu dem Gert Ellinghaus, ehemals „buten-&-binnen„-Redakteur, den moderierenden Gesellschaftssenf konblödial absondern durfte.

Wer in der Jury saß - kein Wort darüber. Daß von den fünfzehn „Goldenen Kameras“ zwölf von dieser namenlosen Jury, popligerweise jedoch nur drei von Zuschauern verliehen werden und welche Kameras das wohl gewesen sind - ebenfalls nicht ein Wort. Hat Ellinghaus wieder mal von Tuten und Blasen keinen Dunst gehabt, oder wollte er sich erhaben zeigen über die Niederungen des Informierens? Mal saß der eitle Geck im Sessel, mal auf dem Sofa, mal anglisierte er, meist sprach er Schrott. Eine der „Goldenen Kameras“ ging an Hannelore Hoger für ihre Rolle der Lea Bertini. Originalton Ellinghaus: „Sie werden sich jetzt vielleicht fragen: 'Wer ist das, Hannelore Hoger?‘ Ich gestehe: mir ging es ähnlich.“ Das glaube ich ihm aufs Wort, verwahre mich aber in aller Form dagegen, als Zuschauerin den Fraß abzugeben, mit dem Ellinghaus seine Sätze mästet. Allerdings: Hannelore Hoger war den Autoren dieses Zusammenschnitts auch alles andere als genehm: Sie wurde, wie alle Preisträger, mit einem kleinen Filmchen vorgestellt, und weil diese Frau recht sperrig und verschwiegen ist - „nicht populär“ heißt das im Sprachgebrauch der springer-lebendigen „größten deutschen Programmzeitschrift“ -, kriegt sie zur Strafe per Kommentar und Schnitt ihr Fett ab: „Diese irgendwie komplizierte Frau haben wir in den zwei Tagen nicht kennengelernt“. Und als ihr die „Goldene Kamera“ überreicht wird, darf sie grade noch „Ich freue mich“ sagen - schon wird ihr der Saft wieder abgedreht und Ellinghaus berichtet: „Die Party kommt auf Touren.“ Andere Preisträger hingegen wie Pfarrer Robert Atzorn, Günther Jauch oder Ruth Maria Kubitschek - durften so manches einstudierte Dankessätzchen ausformulieren.

Wofür und warum eigentlich Florence Griffith-Joyner die „Goldene Kamera“ bekam - ein Rätsel. Oder doch nicht? Peter Tamm, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG, stammelte radebrechend in Ellinghausens Mikrofon: „Die 'Hörzu‘ hat sich aufs Panier geschrieben, alles auszuzeichnen, was mit dem Fernsehen im weitesten Sinne zu tun hat. Ich finde das toll hier, das ist der einzige Preis in Deutschland, der an alle vergeben wird. Und ich weiß, daß auch im letzten Jahr viele hier oben sich kennengelernt haben für die Zukunft.“ Naja, jetzt, da er selber ins Mikrofon gesprochen hat, unter der Zeugenschaft der Kamera, hat er sich qualifiziert, auch irgendwann, im weitesten Sinne, die „Goldene Kamera“ verdient zu haben.

Rudi Carrell sprach - in diesem Rahmen jedenfalls - die einzigen wahren Worte. Er sei „im Prinzip“ gegen diese Veranstaltung, weil das Publikum, „von dem wir alle leben“, ausgeschlossen bleibt. Die Chef-Etage der „Hörzu“ feiert sich selbst, das ist wohl wahr, und wie man die dämlichen Zuschauer abspeisen kann, hat auch die ARD mit ihrem devoten Stimmungs-Potpourri gezeigt: Bei Hofe wird berichterstattet.

Sybille Simon-Zülch