Geld riecht nicht

■ „Eine Handvoll Staub“ von Charles Sturridge ist so britisch, wie es britischer nicht geht: Upper class der 30er Jahre

Tony Last (James Wilby) ist ein naiver Tropf. Etwas reserviert, Anfang dreißig, ausgesprochen reich und dabei sehr englisch. The golden twenties haben gerade ihr Ende gefunden, und Tony gefällt es, mit der attraktiven Lady Brenda und Sohn John Andrew auf seinem mondänen Landsitz Hetton Abbey die Zeit zu verleben. Ländereien umgeben das gotische Herrenhaus mit seinen kostbar ausgestattenen Sälen. Die DienerInnenschaft ist zuverlässig, das Auskommen gesichert, Tony ist zufrieden.

Der Glanz britischen Upper-Class understatements blendet dagegen John Beaver (Rupert Graves), den unterkühlten Jung-Schnorrer im Smoking um so mehr. Der Bonvivant und Trittbrettfahrer der exklusiven Herrenklubs und dezenten Gesellschaften hat Ambitionen. Diese reichen zwar selten über das nächste Wochenende hinaus, doch die Genüsse der Londoner Geld-Aristokratie sind ein unentbehrlicher Bestandteil seines Lebensstils.

Diese vornehme Ausgangslage setzt Regisseur Charles Sturridge mit ausschweifenden und satten Bildern in Szene. Eine Handvoll Staub nimmt die Selbstzufriedenheit und grenzenlose Ignoranz wohlhabener Kreise mit britischer Lebensart zum Anlaß, die Brüchigkeit einer Welt voller Konventionen aufzuzeigen, die auch vor der totalen Aufgabe des eigenen Ichs nicht halt macht - wenn die gesellschaftlichen Regeln es erfordern. Nur merken soll es keiner.

Lady Brenda (Kristin Scott Thomas) kümmert sich darum allerdings wenig. Ihr geht das schnöde Landleben schlicht auf die Nerven. Alle Wohlerzogenheit und Etikette beiseite lassend nimmt sie die erstbeste Gelenheit wahr, sich eine Wohnung in der Londoner Nobelgegend Belgravia zu nehmen. Der Studien wegen, wie sie Tony emanzipatorisch zu verstehen gibt. Doch eigentlich hat es ihr der smarte John Beaver angetan, mit ihm kann sie Spaß haben, nächtelang.

Charles Sturridge hat es allerdings vermieden, außschließlich einen opulenten Austattungsfilm zu präsentieren. Die Romanvorlage des englischen Schriftstellers Evelyn Waugh setzt der Regisseur in seiner ganzen Breite um. So bleibt es nicht bei der

Dreiecksgeschichte, es kommt alles viel schlimmer.

Der törrichte billige arrogante Beaver hat es geschafft. Lady Brenda verbringt weit mehr Zeit mit ihm denn in Hetton Abbey und Tony weiß von nichts, er säuft sich über seine Einsamkeit hinweg und verdrängt. Dann ereignet sich die Katastrophe. John Andrew wird bei seiner ersten Jagd von einem Pferd zu Tode getreten, auf dem ausgerechnet Angelica Huston als Gaststar sitzt.

„Es muß entsetzlich für Mrs.Rattery gewesen sein“, bemerkt Tony eher beiläufig, ganz mit seinem Understatement-Gehabe verhaftet. Er selbst oder seine Frau sind keinen Gedanken wert. „Hatten Sie einen schönen Tag?“, fragt er die steingesichtige Frau. „Nein“, antwortet diese lakonisch. Mehr nicht.

Spätestens jetzt hätte die Regie dramaturgisch an der Romanvorlage feilen sollen, anstatt sie unbearbeitet zu übernehmen. Die verhängnisvolle Atmosphäre und stupide Contenance, die wie ein schwerer Parfumgeruch über der Szenerie lagen, lösen sich auf und verschwimmen zunehmend. Tony ergibt sich nun völlig seiner Tendenz zu Magengeschwüren und willigt in das Begehren seiner Frau ein, sich schuldhaft von ihr scheiden zu lassen.

Eine lange Sequenz im Seebad Brighton mit dem Versuch, dem Gesetz zu genüge die Ehe zu brechen, weicht die dichte Stimmung auf. Immer noch pittoresk, fast überschäumend bemüht er Bilder, die allein an ihrer Bindung Mangel leiden. Beinahe zu schön vermittelt sich das finanzielle Darben der Lady und ihres Lovers, die am Ende doch keine Abfindung erhalten und das körperliche Siechtum Tonys, den es in den brasilianischen Urwald zog.

Das Ende von Eine Handvoll Staub gibt sich zersplittert, daran kann auch ein wunderbar schmieriger Sir Alec Guinness am Amazonas nichts ändern. Zuhause im fernen England arrangiert sich natürlich die feine Gesellschaft im Rahmen ihrer Möglichkeiten, doch happy-end-verwöhnten ZuschauerInnen bleibt ein etwas fader Beigeschmack. Tony verrottet im Dschungel, Brenda heiratet den nächst Besten und aus einem Film wurden zwei. Doch hingehen sollten Sie doch. Trotzdem.

Jürgen Francke

Gondel, 17.59, 20.29 Uhr