Wahlrecht nur für EG-AusländerInnen

■ Senator für Justiz und Verfassung, Volker Kröning, plädierte gegen ein kommunales Wahlrecht für alle AusländerInnen / „Rechtsruck“ in Karlsruhe verhindern / SPD-Jurist Isola fassungslos: „Kröning fällt uns in den Rücken“

Nicht alle AusländerInnen, sondern nur wenige, nämlich die BürgerInnen der Europäischen Gemeinschaft (EG), sollen künftig bei den bundesrepublikanischen Wahlen zu Stadt-und Gemeindeparlamenten in den Genuß des EG-weit geplanten kommunalen Wahlrechts kommen. Das erklärte am Samstag Bremens sozialdemokratischer Senator für Justiz und Verfassung, Volker Kröning. Wörtlich: „Es ist weder rechtlich geboten noch verfassungspolitisch ratsam, das Wahlrecht Nicht-EG-Angehörigen einzuräumen.“

Die eigenen GenossInnen sind, gelinde gesagt, verblüfft. „Wir haben in Partei und Fraktion immer abgesprochen: 'Wahlrecht für alle Ausländer'“, reagierte Horst Isola, SPD -Bürgerschafts-Abgeordneter, gegenüber der taz fassungslos. Isola ist Mitglied der Innendeputation, die zur Zeit - nicht zu verwechseln - über die vorweggenommene kleine bremische Variante berät: aktives

Wahlrecht für AusländerInnen in den Bremer Stadtteil -Beiräten. Die haben kaum Kompetenzen und vorwiegend beratende Funktion, während das geplante EG-weite kommunale Wahlrecht vorsieht, daß AusländerInnen in den Stadträten mit -regieren, also staatliche Hoheitsrechte ausüben würden.

Mehr als zwei Drittel der AusländerInnen in Bremen kommen aber nicht aus EG-Ländern, sondern aus der Türkei (rund 50 Prozent), aus Jugoslawien und Polen. „Was soll das, die Türken sind doch unsere Haupt-Ausländergruppe“, fragt sich deshalb Isola, der Auswirkungen des Kröning'schen Vorpreschens auf die bremische Debatte fürchtet: „Da hat er uns keinen Gefallen getan bei skeptischen Bevölkerungs -Gruppen, das kann man keinem mehr vermitteln! Wir entwickeln gerade eine Kampagne zur Akzeptanz, daß Ausländer wählen dürfen - das schlägt uns voll ins Kontor.“

Auf dem Forum zur Ausländergesetzgebung des Zentrums für Europäische Rechtspolitik hatte Kröning am Samstag auf elf Seiten Redemanuskript ausführlich seine juristischen Überlegungen begründet. Daß gerade er, der sich seit Jahren für ein Wahlrecht aller AusländerInnen in den Stadtteil -Beiräten einsetzt, in den Kommunen plötzlich nur noch EG -WählerInnen kennt, liegt an dem von ihm befürchteten Rechtsruck eines möglichen Verfahrens vor dem Bundesverfassungs-Gericht (BVG) in Karlsruhe. Nachdem in diesem Jahr in Schleswig-Holstein und in Hamburg unterschiedliche, eingeschränkte kommunale Wahlrechte für AusländerInnen eingeführt wurden, haben in Bonn der Innen -und der Justizminister eine BVG-Klage gegen die „Anschläge auf die Verfassung“ angekündigt. Und deshalb befürchtet Kröning, daß über einen Rechts-Spruch der Karlsruher RichterInnen die Bundesregie

rung in Brüssel unter Druck käme und ein Ausländerwahlgesetz blockieren könnte: „Ich will verhindern, daß Karlsruhe ein Blokkade-Urteil fällt, das uns ausländer-und europapolitisch isolieren würde“, erklärte Kröning gegenüber der taz.

Vor allem einen Grundgedanken („das eigentlich Explosive“) will der Jurist Kröning festklopfen: Wenn laut Grundgesetz alle Staatsgewalt vom Volke ausgehe, dann sei dieses „Volk“ heute „republikanisch und nicht nationalstaatlich“ zu verstehen: „Wer von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch macht und seinen wirtschaftlich-sozialen Mittelpunkt nicht mehr in seinem Heimatstaat, sondern auf Dauer in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft hat, soll auch dessen 'Bürger‘ werden.“ Und zwar kein „unpolitischer bourgois“, sondern ein politischer „citoyen“. Für EG-BürgerInnen, so Kröning, sei das kommunalpolitische Wahlrecht „schon beim jetzigen

Stand der EG-Rechtsetzung zulässig“: „Wir können das Recht nicht öffnen, wir müssen es tun für die EG-Bürger.“

Aber eben auch nur für die. Gleiche Rechte für die Hauptgruppe der ausländischen BremerInnen, die aus der Türkei, hält Kröning zwar rechtlich für möglich, aber politisch nicht machbar und deshalb nicht für „ratsam“ oder „tunlich“: „Da sind wir zwar rechtlich frei, aber das sollten wir politisch nicht ins Auge fassen. In einem solchen Frühstadium wäre es völlig verrückt, Nicht-Europäer einzubeziehen. Das gilt nicht nur für Türken, sondern auch für Ost-Europäer.“

Den Genossen und Juristen Isola kann das alles nicht überzeugen. Kommunales Wahlrecht nur für EG-BürgerInnen, so Isola, „ist doch sowieso ein Mindeststandard!“ Dem Grünen Abgeordneten Martin Thomas fehlte angesichts der „Brisanz der Rechtsentwicklung“, auch angesichts der Berliner Wahlergeb

nisse, die „sozialdemokratische Offensive“. Thomas: „Anstatt eine Position zu zementieren, die selbst in der CDU nicht mehr umstritten ist, geht es um Rechte für den Hauptteil der Ausländer! Bei faktischer Rechtlosigkeit nützen auch Krönings Appelle an Nachbarschaftshilfe nichts.“

Von Rechtlosigkeit will Jurist Kröning aber nichts hören: „Auch Nicht-EG-Ausländer haben alle Rechte bei uns, alle: Versammlungs-, Meinungsfreiheit, Demonstrationsrecht - das ist einsamer Standard auf der Welt!“ Bis in ferner Zukunft auch an eine Gleichstellung der Nicht-EG-Türken mit den EG -Griechen gedacht werden kann, empfiehlt Kröning die Integration durch Selbstverwaltung - etwa in den Beiräten. Aber nicht das Mitregieren. Kröning zur taz: „Ich nehme in Kauf, daß die, die uns als Nicht-EG-Angehörige ferner stehen, noch etwas warten müssen.“ Susanne Paa