DGB will sich „stärker einmischen“

■ Gewerkschaftsvertreter diskutieren über eine rot-grüne Regierung in Berlin / „Stimmung in Betrieben“ wird positiv dargestellt / Polarisierung um „Republikaner“ bei Metallbelegschaften

„Dieses Experiment muß klappen“, so beschrieb der Vorsitzende der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), Manfred Müller, die Stimmung während des von ihm einberufenen gewerkschaftspolitischen Ratschlags zu einer möglichen rot-grünen Koalition. „Parteipolitische Unabhängigkeit der Gewerkschaften kann nicht bedeuten, sich aus der aktuellen Diskussion um eine neue Politik in der Stadt herauszuhalten“, formulierte Müller in der Einladung zu der Veranstaltung am Freitag sbend im DGB-Haus sein Anliegen.

Um über eine „radikale Veränderung der Politik“ zu diskutieren, waren rund 100 VertreterInnen von mehreren DGB -Einzelgewerkschaften sowie einige AL-PolitikerInnen erschienen. (Die eingeladenen SPD-Vertreter mußten wegen einer gleichzeitig tagenden Vorstandssitzung absagen.) „Wir müssen uns stärker einmischen“, schloß der HBV-Vorsitzende aus dem Berliner Wahlergebnis und den programmatischen Ähnlichkeiten zwischen SPD, AL und Gewerkschaften, denn „es war sehr einfach, dem konservativen Senat alle Schuld zuzuweisen“. Jetzt käme es darauf an, die Chance für eine arbeitnehmerorientierte Politik zu nützen, und dazu gäbe es bereits Gespräche mit den Verhandlungskommissionen beider Parteien. Doch mindestens genauso wichtig wäre die Zusammenarbeit der Gewerkschaften und der Diskussionsstand in den Betrieben, wo die Stimmung den Berichten zufolge überwiegend in die Richtung eines rot-grünen Bündnisses geht. Doch beispielsweise im Metallbereich wird mehr über die „Republikaner“ diskutiert, „die Polarisierung in der Belegschaft“ in Rot-Grün-Befürworter einerseits und eine rechte Minderheit auf der anderen Seite, die sich hauptsächlich in radikalen Klowandschmierereien äußert, sei das große Thema, berichtete der BMW-Betriebsrat Peter Vollmer.

In anderen Branchen werden hohe Erwartungen an einen Regierungswechsel gestellt: „Die Zusammenarbeit mit den Stadträten war Scheiße“, beschwerte sich Bodo Fast vom ÖTV -Krankenhausbereich, und es gäbe jetzt hohe Erwartungen an eine neue, soziale Gesundheitspolitik. Zumindest die Kontakte zwischen den Abgeordneten und den Gewerkschaften müßten sich verbessern. Dieter Scholz von der IG-Metall Technologieberatung meinte außerdem, die Politiker sollten „ihre Kompetenz bezüglich der Veränderungen in der Arbeitswelt stärken“, um hier überhaupt Entscheidungen fällen zu können. Um die Basis für eine neue Politik zu verbreitern, schlug der BMW-Betriebsrat Rainer Kniersch vor, Betriebsversammlungen für politische Diskussionen zu nutzen, soziale Mißstände aufzugreifen und ein „neues Bewußtsein zu erzeugen“.

Sybille Volkholz von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) betonte bei ihrer Forderung nach einer Änderung des Schulverfassungsgesetzes, daß „die Schüler als künftige Arbeitnehmer Mitbestimmung lernen müssen“. Skeptisch äußerte sich ein Vertreter der ABM-Beschäftigten an der TU, ob ein neuer Senat an der Arbeitsmarktlage in der Stadt etwas ändern könne. Um genau über diese Möglichkeit einer neuen Arbeits- und Strukturpolitik zu diskutieren, wurde Dagmar Birkelbachs (AL) Vorschlag aufgegriffen, über Sinn und Zweck und Art der Berlinförderung eine weitere Gewerkschaftsveranstaltung zu planen. „Für eine gerechte Umverteilung der vorhandenen Mittel“, so die AL-Politikerin, „ist die Konfliktbereitschaft aller, auch die der Gewerkschaften, gefordert.“

Susanne Mahle