„Hemmungen und Angstzustände“

Die Handballmannschaft der BRD konnte sich in ihrem B-Weltmeisterschaftsspiel nicht von der „Nein nicht schon wieder Niederlage gegen die Schweiz„-Schrecksekunde erholen und unterlag 17:18  ■  Aus Belfort Petra Höfer

Während der bundesdeutsche Handball-Nationaltrainer Petre Ivanescu die Aura des Schleifers umgibt („Sein Training ist das brutalste, das ich je mitgemacht habe“), hat Arno Ehret ein anderes Rezept. Er müht sich gemütlich und in erster Linie um südbadische Gelassenheit: „Ich habe schon alles mögliche versucht. Aber Verrücktheiten von der Bank machen meine Mannschaft nervös.“

Arno Ehret war hauptsächlich genial verspielter Torjäger des TUS Hofweier, Lieblingsnationalspieler unter Vlado Stenzel, seit 1986 ist er Nationaltrainer der Handball -Schweizer, hat es da angeblich „zu drei Vierteln mit lupenreinen Amateuren“ zu tun und zur WM -Qualifikationsvorrunde im altstadtbeschaulichen Belfort gerade das Prinzip „Spaß“ entdeckt: „Ich versuche, nie zu vergessen, daß das bloß ein Spiel ist“, gemütelt er sportlich attraktiv und gelassen am Vorabend des Schweiz Deutschland-Spiels im Hotelsessel. „Das funktionert nicht nach einem einfachen Leistung-Belohnung-System. Die Hauptmotivation meiner Spieler ist der Saß am Handball.“

Ordentlich Spaß hatten die Herren aus Zürich, Bern und Winterthur am Samstag abend in der Eishalle von Belfort, die für die Vorrunde der WM-Qualifikation (die nächste A-WM ist 1990 in Prag) per übergezogenem Plastikboden als Handballhalle dient. Als die Stadionuhr „00:00“ die abgelaufene Spielzeit kundtat, sank Tormann Hürlimann mit pathetischem Kniefall vor die Kreislinie, während sich die Restmannschaft mit Trainern, Betreuern, Fans und gerührten Journalisten gemeinsam ein Loch in den Bauch freute: Mit 18:17 (8:9) hatte man der favorisierten DHB-Auswahl mal wieder einen roten Fleck auf die Welthandballweste gestippt.

Die hatte zunächst scheinbar sicher mit 11:8 geführt, die Schweizer aber nach einer Zwei-Minuten-Strafe für Frank Köhr (TSV Milbertshofen) erst einmal die nächsten fünf Tore ganz allein machen lassen und sich von der Nein-nicht-schon -wieder-eine-Niederlage-gegen-die-Schweiz-Schrecksekunde nicht mehr recht erholt. Die Rückraumhelden Neitzel, Dörhöfer (beide Gummersbach) und Schwalb (Essen) brachten bei „bieder solider“ (Ehret) 6:0-Deckung der Schweizer die gewohnten Keulen nicht mehr in Gegners Tor unter, Jochen Fraatz (Essen) hieb 53 Sekunden vor Abpfiff einen Siebenmeter lediglich an den Torpfosten, ein entschlossen enttäuschter Ivanescu sprach anschließend von „Hemmungen“, „Angstzuständen“ und dem Scheitern an den „Nerven“. Und Arno Ehret sagte freundlich: „Wir hatten ein leichtes Spiel, weil wir nichts zu verlieren hatten.“

Nach den zwei Vorrunden-Pflichtsiegen über Norwegen mit 22:17 (9:4) und die Niederlande mit 26:14 (10:7) handballt die DHB-Auswahl heute voraussichtlich um 16 Uhr gegen die Isländer. Zwar ist die Qualifikation für einen der sechs Plätze unter den 16 Teilnehmern in Frankreich noch nicht gefährdet, doch geht das DHB-Team mit zwei Minuspunkten in dieses Hauprundenspiel nach Straßburg. Von den beiden spärlich bezuschauten Vorrundenspielen soll leserfreundlich wenig berichtet werden. „Schönheit ist Schönheit“, sagt Ivanescu, „aber man kann auch etwas schlechter aussehen: Sieg ist Sieg.“

Selbst der holländische Coach Ton van Linder hätte das „Allemagne - Pays-Bas„-Spiel (in dem der Stadionsprecher aus deutschen Namen so charmante Gebilde machte wie „Üüülriisch Rottt“) am liebsten nach neun Minuten abgepfiffen gesehen. Da führte sein Team nämlich noch mit 4:2. Mit einigen Brechstangen aus dem Rückraum und Tempogegenstößen fand die Tulpenblüte im Welthandball dann aber ein rasches Ende. Das erste tatsächlich aus einem Spielzug entstandene deutsche Kreistor wurde allerdings erst fünf Minuten vor Abpfiff gesichtet. Christian Fitzek (Gummersbach) - beim Baltic-Cup noch so spielzugglücklich, daß Arno Ehret wahrscheinlich „brillant“ gesagt hätte - hatte da ausnahmsweise einmal Platz für einen Torwurf.

„Die Holländer haben ständig mit vier Schritten gespielt“, polterte Ivanescu noch mythengerecht nach dem glanzlosen Pflichtsieg, „damit haben wir unsere Probleme: Wir spielen mit drei Schritten.“

BRD-Norwegen 22:17

BRD-Niederlande 26:14