Hartes Urteil im Aids-Prozeß

■ Hamburger Amtsrichter verhängt zwei Jahre Knast ohne Bewährung für ungeschützten Sex

Berlin (taz) - Der 24jährige HIV-Infizierte Installateur Jörg S. ist am Freitag vom Hamburger Amtsgericht in einem bedrückenden Prozeß zu zwei Jahren Knast ohne Bewährung verurteilt worden. Ihm wurde vorgeworfen, seine damalige Freundin bei ungeschütztem Sex angesteckt zu haben. Amtsrichter Ulf Panzer sprach in der Urteilsbegründung von einer „unendlichen Verantwortungslosigkeit“.

Der Angeklagte und seine Ex-Freundin waren mehr als drei Jahre zusammen gewesen. Im Mai 1987 hatte Jörg S. einen HIV -Test machen lassen. Weil sich fast der gesamte Fußballverein hatte testen lassen, wollte auch Jörg „wissen, woran ich bin“. Dadurch erfuhr er von seiner Infektion. Diesen Befund verschwieg er allerdings seiner 20jährigen Freundin. Ihr sagte er einige Monate später, er habe Leukämie.

Im Dezember 1987 folgte eine schwere Lungenentzündung. Jörg S. habe sich - so die Aussagen der Ex-Freundin - zunächst geweigert, einen Arzt zu konsultieren. Als er dann doch einen Arzt aufsuchte, habe er sie über die Diagnose nicht unterrichtet. Daraufhin sei sie mißtrauisch geworden und selbst zum Arzt gegangen, der ihr zum Test riet. Ergebnis: HIV-positiv. Noch im selben Monat trennte sich das Paar, im Januar erstattete die Frau Anzeige.

Die entscheidende Frage, warum er seine Freundin nicht unterrichtet oder beim Sex kein Kondom benutzt habe, beantwortete der Angeklagte mit dem Hinweis auf die lange Zeit der Beziehung. Da sie in dieser Zeit ständig miteinander geschlafen hätten, habe er davon ausgehen müssen, daß seine Partnerin ohnehin ebenfalls infiziert sei. Um sie nicht unnötig zu beunruhigen, habe er seinen HIV -Status verschwiegen. Auch der Anwalt des Angeklagten, Gerd Benoit, der auf Freispruch plädierte, sagte, daß der Angeklagte davon ausgehen konnte, daß seine Freundin infiziert war.

Richter Panzer war der Meinung, daß Jörg S. seine Freundin nicht verlieren wollte und er deshalb die Infektion verschwiegen habe. Er habe es darauf ankommen lassen. „Sie sind dafür verantwortlich, wenn Birte A. an dem Virus sterben wird“, sagte Panzer in seiner Urteilsbegründung.

Das Gericht war der Überzeugung, daß S. seine Freundin angesteckt hat. Die hatte zuvor erklärt, daß sie vor der Beziehung zu S. zwar noch einen anderen Kontakt hatte, daß aber nur S. sie angesteckt haben könne.

Der medizinische Sachverständige blieb vorsichtig: Er könne nicht sagen, wer wen angesteckt hat, sagte Gutachter Rainer Laufs. In einem zweiten Gutachten wurde bestätigt, daß Jörg S. und seine Ex-Freundin Virusträger sind, aber nicht Aids -krank. Die Lungenentzündung bei S. könne auch grippale Ursachen haben.

-man