30.000 gegen Paragraph 218

Bündnis „Frauen begehren Selbstbestimmung“ sammelte 30.000 Unterschriften gegen den Paragraphen 218 und das geplante Beratungsgesetz / Grüne Frauen im Streit um Abtreibungs-Selbstbezichtigungsaktion  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Im Vorfeld der bundesweiten Demonstration gegen den Paragraphen 218 in Memmingen am Sonnabend erreicht die Diskussion über den Abtreibungsparagraphen einen neuen Höhepunkt. In Bonn rollten Vertreterinnen des Bündnisses „Frauen begehren Selbstbestimmung“ gestern einen riesigen Ballon mit 30.000 Unterschriften gegen den Paragraphen und das geplante Beratungsgesetz vor die Tür der Bundestagspräsidentin - doch Rita Süßmuth ließ sich nicht blicken. An der Unterschriftenaktion hatten sich Autonome, Grüne, SPD-Frauen und Gewerkschafterinnen beteiligt.

Nach gestrigen Reaktionen aus der FDP wächst derweil in Teilen der Union die Befürchtung, daß eine CSU-Klage gegen den Paragraphen 218 in Karlsruhe die Koalitionsverhandlungen über das umstrittene Beratungsgesetz zum Scheitern bringen könnte. FDP-Parteisprecher Goebel: „Wenn die CSU den Paragraphen durch eine Klage in Zweifel zieht, macht das Beratungsgesetz wenig Sinn.“ Justizminister Engelhard (FDP) bezeichnet die Klage-Absicht gestern als „aussichtslosen Schritt, der lediglich geeignet sei, in Not geratene Frauen zu verunsichern“. Der Minister plädierte dafür, schwangeren Frauen mehr Hilfen zu gewähren, erwähnte das Beratungsgesetz aber nicht. Die Vermutung, daß sich die FDP anläßlich der CSU-Ankündigung nun liberal profilieren will, wird auch durch einen Aufruf der frauenpolitischen Sprecherin der Hamburger FDP-Bürgerschaftsfraktion, Meta Stölken, gestärkt. Sie forderte ihre Kolleginnen aller Fraktionen zum Protest gegen eine Verfassungsklage auf. Die Stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion in Bonn, Roswitha Verhülsdonk, hatte sich bereits am Sonntag besorgt gezeigt, daß das Beratungsgesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr zustandekommen könnte, obwohl sie eine BVG-Klage „im Grundsatz“ begrüßte. Der Fraktions-Vize Rühe wandte sich gegen eine „neue rechtliche Grundsatzdiskussion“.

In der grünen Partei ist derweil ein Aufruf der Abgeordneten Jutta Oesterle-Schwerin und Verena Krieger, die Abtreibungs-Selbstbezichtigungsaktion regional auf breiter Ebene fortzusetzen, auf scharfe Kritik der Partei -ChristInnen gestoßen. Die grüne Bundesarbeitsgemeinschaft „Christen bei den Grünen“ sieht darin einen Verstoß gegen Parteibeschlüsse: Der „Schutz des ungeborenen Lebens“ sei neben dem Selbstbestimmungsrecht „gleichberechtigtes Ziel“ der Grünen. Die Selbstbezichtigungsaktion sei nicht hilfreich, um die Abtreibungszahlen zu senken und Konfliktsituationen zu entschärfen. Die Abgeordneten hätten ihr Amt „für Privatmeinungen“ mißbraucht.

In der SPD, die bisher die Forderung nach ersatzloser Streichung des §218 ablehnte, sei hingegen ein Meinungswandel „in Riesenschritten“ zu verzeichnen, meinte gestern die Vorsitzende der bayrischen SPD-Frauen, Uschi Pausch-Gruber, auf einer Pressekonferenz von „Frauen begehren Selbstbestimmung“. Auch die 'stern'-Journalistin Ingrid Kolb zeigte sich überzeugt, daß die Forderung nach Streichung des Paragraphen heute „leichter Konsens“ findet: „Die gesellschaftlichen Zustände sind so unerträglich geworden, daß allseits das Gefühl aufkommt: Es muß jetzt etwas geschehen.“ Gegen alle PolitikerInnen, die sich im 'stern‘ selbst bezichtigten, laufen mittlerweile Ermittlungsverfahren.