Radio vor Arbeits-Gericht

■ Die „feste Freie“ Reporterin Libuse C. klagt auf Festeinstellung bei Radio Bremen Gute Aussichten auf Erfolg / Abteilungsleiter von Haken erinnert sich an nichts Genaues

In „O-Töne“ und „Studios“, in „Schneidetermine“ und „Redaktionskonferenzen“, in „Ü-Wagen“ und in das Recht auf eine eigene Durchwahlnummer, kurz: in die Arbeitsbedingungen bei Radio Bremen mußte sich gestern Arbeitsrichterin Dr. Wendte einarbeiten. Denn die Funk-Mitarbeiterin Libuse C. hat sich an das Arbeitsgericht gewandt, um ihre Festanstellung beim Sender durchzusetzen. Die Journalistin muß nachweisen, daß ihre Arbeit der von festangestellten RedakteurInnen und ReporterInnen nicht nachsteht und daß sie über Insignien wie fest eingeplante Anwesenheitszeiten, einen festen Schreibtisch und ein eigenes Telefon mit Durchwahl-Nummer verfügte bzw. verfügt. Als Zeuge der Arbeitgeberseite „Radio Bremen“ war der aufstrebende Abteilungsleiter Niels von Haken aufgeboten. Dieser wiederum hatte zu dem Sachverhalt wenig Erhellendes beizutragen und sonderte vor Gericht Sätze ab - wie:

„Ich kenne den Gesamtumfang der Arbeit von Frau C. nicht. Ich weiß, daß sie Geschichten für das Vormittagsmagazin gemacht hat, die dann auch gesendet wurden.“

Seit acht Jahren ist die Journalistin Libuse C. „tagesaktuell“ als „Reporterin“ für das Hörfunkprogramm von Radio Bremen tätig. Sie hat den Status einer, so der Insider -Jargon, „festen Freien“. Dieser „arbeitnehmer-ähnliche“ Status ist tarifvertraglich abgesichert, die „festen Freien“ bekommen Urlaubs- und Weihnachtsgeld überwiesen, im Krankheitsfall wird ihnen der Lohn fortgezahlt und die Kündigungsfristen sind geregelt. Rund hundert JournalistInnen fallen bei Radio Bremen in die Rubrik „feste Freie“, davon sind wiederum zwanzig tagtäglich im Einsatz. Zu diesen zwanzig gehörte und gehört Libuse C. Eine Redaktionsassistentin bestätigte: Libuse C. sei umfassend eingesetzt worden, habe über einen eigenen Schreibtisch nebst Telefon verfügt und habe

regelmäßig an den Redaktions konferenzen teilgenommen. Weiterhin habe Libuse C. volle Verantwortung für bestimmte Programmteile getragen. Von 1981 bis 1987 hatte Libuse C. diese Funk-Tätigkeiten ausgeübt, nach einjähriger Unterbrechung war sie 1988 an ihren Arbeisplatz im Sender zurückgekehrt.

Doch hier hatten sich mittlerweile die Bedingungen für „feste Freie“ verschlechtert. Weil das Geld knapper wird, sollen RedakteurInnen „honorarpflichtige Beiträge“ einsparen. Abteilungsleiter Niels von Haken verfährt nach der Devise: Möglichst viele Freie in möglichst geringem Umfang beschäftigen. Offizielle Durchwahlnummern hat er bei seinen Freien längst abgeschafft. Immer mehr „feste Freie“ fürchten deshalb, langfristig „ausgetrocknet“ zu werden.

Der Rechtsvertreter von Radio Bremen versuchte gestern vor Gericht vergeblich geltend zu machen, für Frau C. hätten keine

„arbeitnehmer-ähnlichen“ Anwesenheitspflichten gegolten, es sei völlig egal gewesen, wo Frau C. ihre Manuskripte verfaßt habe, ob bei ihr zu Hause, in einem Cafe oder im Sender. Doch die Arbeitsrichterin, einmal in die Funk-Techniken des Senders eingeweiht, ließ diese Version nicht gelten. Hatte sie doch gerade gelernt, daß das Wesen der „gebauten Beiträge“ darin besteht, daß sie nicht zu Hause am Schreibtisch, sondern in der Sendeanstalt am Schneidetisch zu fest vereinbarten Zeiten „komponiert“ werden, um zu festgelegten Zeiten „tagesaktuell“ über den Äther zu gehen. Eine endgültige gerichtliche Entscheidung fiel vor Redaktionsschluß gestern nicht, die Richterin machte jedoch klar, „daß alles dafür spricht, daß Frau C. Arbeitnehmerin ist“.

Das Bremer Arbeitsgericht kann seine neugewonnenen Funk -Kenntnisse in Zukunft noch verfeinern, Libuse C. wird nicht die einzige Klägerin bleiben.

B.D.