Öko-Verkehrskonzept: Bahn statt Blei

■ Alternatives Konzept für Verkehrspolitik vorgelegt / Stopp sämtlicher Straßenausbauten / Massiver Ausbau für Stadtbahn / Innenstadt autofrei, Platz für Rad und FußgängerInnen / Finanzierung: Die Hälfte der geplanten 2 Mrd. für Straßenbau reicht

Zugegeben: Auf den allerersten Blick hört es sich nett gemeint, aber auch blau-grünäugig-utopisch an, was Verkehrs -ÖkologInnen da gestern vor JournalistInnen präsentierten: das neue Bremer Verkehrskonzept „Straßenbahn statt Autowahn„.

„Das Bremer Amt für Straßen

und Brückenbau heißt nicht nur so, es fühlt sich auch so“, witzelte Helmut Horn vom Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND). Wenn Bremen nicht in wenigen Jahren in Blech, Gift und Gestank ersticken will, dann muß aus diesem Amt der „Straßenbaufetischisten“ ein

ökologisches Verkehrsamt werden. Nachdem die SPD seit Jahren mit ihren Straßenbau-Großprojekten immer mehr BremerInnen auch in den eigenen Reihen gegen sich aufbringt und unfreiwillig in Initiativen organisiert, nachdem sie das schon vor acht Jahren beschlossene Verkehrs-Gesamtkonzept bis heute nicht präsentiert hat, haben jetzt BUND, der Fahrrad-Club ADFC und der alternative Verkehrsclub VCD auf 60 Seiten Konzept umfassend zusammengestellt, wie die BremerInnen aus Chaos und Karambolagen herauskommen: mit der Bahn. Denn die steht im Mittelpunkt.

Bahnen sind leise und sicher. Ein Straßenbahn-Zug kann 104 Autos ersetzen. Derselbe Dieselmotor, der einen LKW auf der Straße zum Rollen bringt, kann 20 Waggons auf der Schiene ziehen. Natürlich läßt keine ihr Auto in der Garage, wenn lange Fußmärsche zu zugigen, auto-umbrausten Haltestellen, endlose Fahrtzeiten und obendrein noch saftige Fahr-Preise die Alternative sind.

Zentrale Konzept-Idee: deutliche Erweiterung des Straßenbahn-Netzes auf (zunächst) fünf Bremer Strecken. Die PlanerInnen haben berechnet, wo in welchen Siedlungsgebieten der Ver

kehrsbedarf durch neue Gewerbebetriebe, neue Siedlungen oder Institutionen von überregionaler Bedeutung besonders hoch ist. Fünf (behindertengerechte) radiale „Stadtbahn„-Linien sollen erheblich ausgebaut und verlängert werden (vgl. Kasten). Der Bus-Verkehr mit viel giftigem Gestank für verhältnismäßig wenig Fahrgäste soll nur noch ergänzende Funktion haben.

Wenn BremerInnen auf Bus und Bahn umsteigen sollen, dann muß der öffentliche Personen-Nahverkehr (ÖPNV) attraktiver und der private Individualverkehr (IV) drastisch unattraktiver werden. Dazu haben sich die alternativen PlanerInnen eine Reihe von Maßnahmen überlegt: Einfache und billige ÖPNV-Tarife, Steuervorteile beim Weg zur Arbeit wie für Autos, dichte Taktfolge der Bahnen auch nachts, attraktive und sichere Haltestellen.

Verkehrschaos, Giftausstoß und Verkehrsunfälle werden nicht durch Bus und Bahn, sondern maßgeblich von den privaten Fahrzeugen verursacht. Die Bremer Innenstadt muß völlig autofrei werden, fordern radikal die PlanerInnen. Zwischen Wall, Tiefer und Bürgermeister-Smidt-Straße nur noch ÖPNV und nur noch zwei Parkhäuser. Rund zehn

weitere Straße wie Dobben, Schwarzes Meer, Woltmershauswer Straße sind zusätzlich für PKW-Verkehr zu sperren.

Bremen ist flach. Radfahren könnte Spaß machen und schnell gehen. Es gibt durchaus ein Radwege-Netz. Das aber, so argumentiert der BUND, ist überwiegend aus der Perspektive des Autoverkehrs angelegt, hält die Straßen radfrei und zwackt den FußgängerInnen noch ihr bißchen Platz ab. Also: Großzügige Radlerflächen auf Kosten des motorisierten Individual-Verkehrs in verkehrsgemischten Flächen, das erhöht die Sicherheit und verhindert Rasen. Ein ausgeschildertes Radnetz durch die ganze Stadt mit möglichen Geschwindigkeiten von 20-30 km/h und sichere Rad -Abstellanlagen sollen alle Bevölkerungsgruppen ermutigen, das Rad auch über größere Entfernungen zu nutzen. Weil das alternative Konzept als Gesamtkonzept gedacht ist, ist außerdem an die Anbindung des Bremer Umlandes mit S-Bahn -ähnlichen Zügen auf den DB-Schienen (wie beim Musterbeispiel Vegesack) ebenso gedacht wie an die Verlagerung des Last- und Schwerlastverkehrs auf die Schiene.

Daß das alles nun nett gemeint, aber schlicht unbezahlbar wäre,

wiesen gestern die BUND VertreterInnen entschieden zurück. Für weniger Geld als die zwei Milliarden, die Bremen in den irrsinnigen Straßenausbau stecken will, sei all das alternativ Geplante, einschließlich neuer BSAG-Wagen und eines funktionierenden Radwege-Netzes, zu haben - von den Bonner Mitteln ganz zu schweigen, die in Bremen kaum ausgeschöpft werden. Immer mehr und breitere Straßen, das weiß inzwischen jede, ziehen nur noch mehr Autoverkehr an.

„Wir sind inzwischen ganz optimistisch“, freute sich Joachim Seitz vom BUND, „weil es eine ganz breite Koalition gibt.“ Bürgerinitiativen, Grüne, SPD-Basis und auch Beiräte denken längst in ökologische Richtung. Immerhin hatten am Montag die beiden SenatorInnen Konrad Kunick (Bau) und Eva -Maria Lemke-Schulte (Umwelt) persönlich das alternative Konzept in der BUND-Geschäftsstelle abgeholt. Mit ermutigenden Beispielen konnte auch Heiner Brünjes (BUND) aufwarten: Braunschweig baut neun Straßenbahnlinien neu aus und will der Bahn absoluten Vorrang einräumen; selbst die Millionenstadt Paris führt ab 1992 die Bahn, trotz Metro, wieder ein. Warum nicht Bremen? Susanne Paa