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Grummeln vorm Gewitter

■ Interview mit Wolfgang Wieland, Noch-Fraktionsvorsitzender der AL, zum Streit über die Äußerungen von Birgit Arkenstette und Harald Wolf und die Frage Tolerierung oder Koalition

taz: Die Gruppe „Grüne Panther“ in der AL hat die Erklärung des GA zu den „persönlichen Erklärungen“ von Harald Wolf und Birgit Arkenstette nicht akzeptiert und fordert deren Rücktritt aus der Verhandlungskommission. Tut sich da eine Spaltung der Partei auf?

Wolfgang Wieland: Ich sehe keine Spaltung. Die SPD war so klug von sich aus keine Rücktrittsforderungen zu stellen. Ich denke Gruppierungen in der AL sollten dieselbe Klugheit besitzen und jetzt nicht den Rückstritt fordern. Es gab diesen stillschweigenden Konsens seit der MVV, der lautet, erst wird verhandelt und die Inhalte festgelegt, dann wird über die Form der Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten entschieden. Dabei sollte es bleiben. Harald und Birgit haben meines Erachtens unzulässigerweise zu einem viel zu frühen Zeitpunkt die Frage der Form der Zusammenarbeit auf die Tagesordnung gesetzt.

Aber der GA hat sie noch nicht einmal gerügt.

Der GA ist auch keine Rüge-Instanz, hat nicht die Rolle eines Lehrers oder ähnliches. Die beiden sind ein wesentlicher Bestandteil des GA. Ich meine auch, daß das jetzt nicht das Entscheidende ist, Rüge oder Tadel. Die SPD hat zu verstehen gegeben, daß für sie der Delegiertenrat wichtig ist, daß die Essentials dort angenommen und von einer breiten Mehrheit getragen werden. Ich gehe davon aus, daß das so geschehen wird. Und ich hoffe, daß Alleingänge wie der von Bernd Köppl bei der Berlinförderung oder der jetzt von Birgit und Harald in Zukunft vermieden werden.

Aber müßte man sich denn nicht fragen, ob der GA, wenn es um zwei seiner führenden Mitglieder geht, er also quasi über sich selbst berät, überhaupt die richtige Instanz ist um über das Verhalten von Harald Wolf und Birigit Arkenstette zu urteilen.

Der GA hat nach der Wahl im Wesentlichen die Sache gut gemacht. In einer Situation in der er im Rampenlicht stand, in der jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wurde, haben wir zwei Ausreißer erlebt, von denen der GA nur einen zu verantworten hatte.

Die MVV hat der Verhandlungskommission den klaren Auftrag erteilt: Die AL strebt eine Koalition an. Kann denn eine Kommission glaubwürdig verhandeln, deren Mitglieder zum Teil jetzt schon heftig für eine Tolerierung eintreten.

Diese zwei Mitglieder haben in der Tat dem Mandat nicht entsprochen, das Ihnen die MVV gegeben hat. Wenn ich mittendrin zu verstehen gebe, daß ich von Anfang an nicht damit gerechnet habe, daß es für eine Koalition reichen würde, erwecke ich Zweifel daß ich die geeignete Person bin, diesen Prozeß des Auslotens durchzuführen. Niemand von uns ist unvoreingenommen. Aber von einem Verhandler muß man verlangen können, daß er seine Voreingenommenheit zurückstellt. Es ist wirklich mißlich, daß die beiden diese Linie nicht eingehalten haben.

Warum unterstützt du dann die Rücktrittsforderung nicht?

Meine Güte, man muß doch jedem von uns zugestehen, daß er mal Fehler macht.

Aber sie haben ja keinen Fehler eingestanden. Die beiden bestehen auf ihrem Recht sogenannte „persönliche Erklärungen“ abgeben zu können. Harald Wolf hat gesagt, er wird weiterhin eine Tolerierung vertreten.

Dennoch bin ich nicht der Meinung, daß daraus zwangsläufig eine Rücktrittsforderung folgen muß. Die beiden sind Teil einer neunköpfigen Verhandlungskommission. Für meine Begriffe haben sie ihre Rolle nicht korrekt gehandhabt. Aber ich denke mir, daß die AL damit leben kann.

Trotzdem tut sich an dieser Frage jetzt der alte strömungspolitische Streit auf. Tolerierung oder Koalition. Ein Streit, der vor der MVV durch den gemeinsamen Antrag von GA und „Grünen Panthern“ unter den Teppich gekehrt wurde. Soll die AL diesen Streit jetzt mitten in den Verhandlungen mit der SPD austragen?

Bloß nicht! Die AL muß ihren sehr eindeutigen Kurs fortsetzten. Der hieß, wir verhandeln ohne Vorbedingungen und ohne klar definiertes Ziel. Resümieren dann anhand der Sachergebnisse und sagen dann, wir machen Koalition, Tolerierung oder gar keine Form der Zusammenarbeit. In dieser Reihenfolge muß es bleiben. Ich gebe zu, daß das, was sich jetzt zeigt, möglicherweise ein erstes Grummeln oder Donnern ist, das auf ein möglicherweise später stattfindendes Gewitter hindeutet. Wenn die MVV irgendwann entscheiden muß, wird es keine 99,7-Prozent-Entscheidung werden. Diese Entscheidung wird knapper werden - aber sie wird eine ehrliche Entscheidung sein. Meine Einschätzung der bisherigen Sachverhandlungen ist durchweg positiv. Wir haben bei der SPD enorme Einbrüche erreicht. Es zeichnet sich ab, daß wir viele Dinge, gerade im Bereich Innenpolitik, die wir seit Jahren fordern, werden durchsetzen können. Von daher habe ich ein ganz starkes Interesse daran, daß diese Sachverhandlungen wieder aufgenommen werden. Daß sie möglichst noch vor dem 2. März zu Ende geführt werden und daß auf einer klaren Grundlage die AL-Mitglieder eine Entscheidung treffen können.

Welches ist denn deine Meinung: Tolerierung oder Koalition?

Ich finde, daß eine Tolerierung der AL nur schadet. Tolerierung heißt, daß die AL für alle Fehler der Regierung verantwortlich gemacht wird, daß sie aber nicht in der Lage ist, selbst gestaltend Politik zu machen.

Interview: Brigitte Fehrle

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