Einweg-Lobby setzt auf Recycling

■ Berliner sollen freiwillig großvolumige Kunststoff-Flaschen und -Farbeimer auf BSR-Recycling-Höfen abgeben / Verbraucherzentrale befürchtet Umweltbelastung

Trotz der schlechten Erfahrungen mit einem ähnlichen Modellversuch wollen sich jetzt die Stadtreinigungs-Betriebe an einem sogenannten „Kunststoff-Recycling-Test Berlin“ für bestimmte Kunststoffabfälle beteiligen.

Im Rahmen des Tests soll auf zwölf ausgebildeten Recyclinghöfen der BSR zum ersten Mal die getrennte Sammmung von Farbeimern, Weichspüler- und Flüssigwaschmittelbehältern aus Polyethylen (PE) sowie von Speiseölflaschen aus dem Kunststoff Polyethylenterephthalat (PET) erfolgen. Der Startschuß für die zunächst auf ein halbes Jahr befristete Aktion wird nach der gestrigen Ankündigung schon am Freitag fallen. Mit-Initiatoren des Recyclingvorhabens sind das Kunststofftechnikum der Technischen Universität sowie die letztes Jahr von 19 Großunternehmen gegründete Bonner Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt (AGVU).

Der durch Bundesumweltminister Töpfers Pro -Mehrwegverordnung gegen die PET-Flachen unter Druck gesetzte Lobby-Verein der Industrie veranlaßte zahlreiche Berliner Lebensmittel-, Drogerie-, und Baumärkte, die Verpackungen zur besseren Unterscheidbarkeit für die umweltbewußten BerlinerInnen mit einem kreisrunden Aufkleber deutlich zu kennzeichnen.

Die Hoffnung ist, daß Verbraucher in dem Versuchszeitraum wenigstens zehn Tonnen der so markierten Kunststoffgebinde bei der Stadtreining abgeben. Zum eigentlichen Recycling, daß heißt zunächst zur Verkleinerung der „sortenreichen“ Kunststoffe, stehen in den Charlottenburger Räumen des TU -Kunststofftechnikums sogenannte Schreddermühlen bereit.

Das Interesse der TU-Wissenschaftler deckt sich dabei mit den Anliegen des Handels und der Industrie: Getüftelt wird an einem ganz neuen Verfahren, wie durch eine Behandlung der verkleinerten Kunststoff-Granulatteilchen mit Zusatzstoffen ein neuartiger, wiederverwendbarer Kunststoff produziert werden kann, der die Gütewerte des Ursprungsmaterials unter Umständen übertrifft.

Indes gehen die TU-Forscher realistisch davon aus, daß der Anteil von Kunststoffverpackungen im Handel in den nächsten Jahren noch weiter zunimmt. Über konkrete Anstrengungen, wenigstens den Anteil von Mehrwegverpackungen zu reduzieren, schwiegen sich die Vertreter der Industriearbeitsgemeinschaft gegenüber der Presse aus. Man strebe vielmehr an, „eine faire Betrachtungsweise des Packstoffes Kunststoff“ zu erreichen, hieß es blumig in einer Broschüre. Der Handel wolle primär unter Beweis stellen, „daß ein Recycling auch außerhalb der Verkaufsstellen und freiwillig möglich ist“.

Hauptgrund für die Beteiligung der Stadtreinigung an dem vom Bundestechnologieministerium mit 750.000 Mark bezuschußten Vorhaben nannte der Technische Geschäftsleiter der BSR, Fischer, in erster Linie das zunehmende Problem der Entsorgung von Kunststoffmüll. Dieser Müll erhitze die Kessel der bestehenden Ruhlebener Verbrennungsanlage zu stark. Auch sei das Volumen der weggeworfenen Kunststoffe doppelt so groß wie ihr Gewicht.

Ein Versuch, auf einem Reinickendorfer Betriebshof getrennt Kunststoffe in Folien und Joghurtbecher zu sammeln, schlug Fischer zufolge in der Vergangenheit jedoch fehl. Fischer sprach allerdings von einer nur dreiprozentigen Rücklaufquote.

Heftige Kritik an dem angekündigten Recycling-Test übte gestern schon ein Vertreter der Verbraucherzentrale. Der Umweltberater Hans-Peter Brix bemerkte dazu: „Sinnvoller wäre es, in dem Bereich der Waschmittel und Weichspüler wiederbefüllbare Verpackungen anzubieten. Dieser ganze Produktionssektor soll nur für den Verbraucher salonfähiger gemacht werden. Ich habe die Befürchtung, daß viele Haushalte jetzt erst ihre alten Eimer mit Resten von Dispersionsfarbe in einen Gulli oder ins WC kippen, bevor sie die zu den Recyclinghöfen bringen. Damit entsteht möglicherweise noch eine zusätzliche Umweltbelastung.“

thok