„Ich wollte nie in etwas Niedriges verwickelt sein“

■ Winnie Mandela weist alle Vorwürfe über ihre Beteiligung an der Entführung von vier schwarzen Jugendlichen zurück / Der ermordete Junge werde wieder auftauchen / „Die Leute sind nicht an dem eigentlichen Fall und der Wahrheit interessiert“

Winnie Mandela, die Frau des seit 27 Jahren inhaftierten ANC-Führers Nelson Mandela, wird Mithilfe bei der Entführung von vier Jugendlichen vorgeworfen. Die vier, die Ende Dezember aus einer methodistischen Kirche abgeholt wurden, sind angeblich schwer mißhandelt worden. Einer von ihnen, der 14jährige „Stompie“ Seipei, verschwand. Seine Leiche wurde am 6.Januar gefunden und letzte Woche von seiner Mutter identifiziert. Winnie Mandela gibt an, daß die Jugendlichen von einem homosexuellen Priester, Paul Verryn, mißhandelt wurden und deshalb aus der Kirche abgeholt wurden. Die methodistische Kirche hat dies nach einer auf Wunsch Verryns durchgeführten internen Untersuchung entschieden zurückgewiesen. Inzwischen wird der Mord an Seipei von der Polizei untersucht. Die Opposition in Südafrika hat sich jedoch schon jetzt von Winnie Mandela distanziert.

Thomas Roth: Frau Mandela, wie fühlen Sie sich nach all den Ereignissen der vergangenen Wochen?

Winnie Mandela: Natürlich bin ich ziemlich durcheinander, und ich muß gestehen, daß ich ratlos bin, wie es mit unserer Gemeinschaft, die ja die politische Situation um uns herum kennen muß, soweit kommen konnte. Unser Kampf für die Freiheit dauert ja schon sehr lange, und es ist schlimm, daß unsere Feinde unsere Gemeinschaft so manipulieren konnten. Die Leute, die hier eine Rolle spielen, da bin ich mir sicher, sind gar nicht an dem eigentlichen Fall und der Wahrheit interessiert.

Frau Mandela, wurden diese vier Jungs, um die es geht, in Ihr Haus entführt - ich halte das für eine Tatsache -, wurden sie dort geschlagen und drittens - auch das ist eine Tatsache -, wurde der Junge mit dem Namen Stompie ermordet? Wie wurde er umgebracht? Was wußten Sie davon und wie erklären Sie das?

Sie wurden nicht entführt. Was hier im Augenblick passiert, ist, daß die Kirche um jeden Preis geschützt und geschont werden soll. Wir haben es gewagt, eine Schlangengrube aufzudecken, wir haben es gewagt, die Kirche als eine Institution anzugreifen. Aber eigentlich wollten wir dem Priester Paul Verryn und diesen Jugendlichen helfen, die homosexuell mißbraucht worden sind, und zwar von einem Mann Gottes. Das war unsere Pflicht. Aber diese Jugendlichen wurden nicht entführt, sie wurden ganz normal von der Kirche, wo sie waren, abgeholt. Der Fußballklub hat damit übrigens überhaupt nichts zu tun.

Wurden sie geschlagen?

Ich hoffe, daß die ganze Sache vor Gericht kommt, um das ganz klar zu beweisen. Ich verstehe aber, daß der, der sie dort abgeholt hat, daß der sie geschlagen hat. Er wollte die Wahrheit aus ihnen herausbringen und hat die gefragt: Wie ist es möglich, daß ihr in so etwas Ekelhaftes verwickelt seid, in diese Art von Sodomie und das auch noch im Namen unseres Kampfes... Das ist abnormal für schwarze Jugendliche, in diese Art von Sexualität verwickelt zu sein. Genau so hat es mir dieser Jerry Richardson, der sie abgeholt hat, erzählt. Er sagte mir, er hätte sie geschlagen, er wollte sie disziplinieren...

Wie wurde der Junge mit dem Namen Stompie umgebracht?

Ich habe vom Tod Stompies zum ersten Mal aus der Presse erfahren. Ich weiß nichts von irgendeinem Tod in meinem Haus. Im Haus von Nelson Mandela starb noch niemand. Mir wurde gesagt, daß dieser Stompie nach der ersten Woche weggerannt ist...

Von wo rannte er weg?

Er rannte von meinem Haus weg. Hinten an meinem Haus sind zwei Räume angebaut, und in diesen Räumen lebten insgesamt acht Jugendliche. Der älteste, nämlich Jerry Richardson, der sie von der Kirche abgeholt und geschlagen hat, hat mir später erzählt, daß dieser Junge mit dem Namen Stompie weggerannt ist. In der darauffolgenden Woche wurde mir gesagt, daß noch ein zweiter Junge weggerannt sei. Und das ist alles, was ich von dem, was in diesem Haus vorgegangen ist, weiß. Ich bin bereit, diese Aussage auch vor Gericht zu machen... Im übrigen glaube ich nicht, daß dieser Junge, Stompie, tot ist. Ich glaube, daß dieser Junge eines Tages wieder auftaucht. Es gibt hier ein gewaltiges Komplott, das all diese üblen Vermutungen in die Welt setzt... Ich wollte noch nie in etwas so Niedriges und Gemeines verwickelt sein. Niemand kann sich so ein Benehmen leisten.

Dieser sogenannte Fußballklub wurde ja schon länger kritisiert. Es ist eine Tatsache, daß dieser Klub in gewalttätige Handlungen verwickelt war. Wußten Sie davon, und haben Sie die zunehmende Kritik an diesem Klub mitbekommen?

Sie behaupten, das sei eine Tatsache, ich weiß davon nichts. Ich weiß nur von zwei Situationen, nach denen diese Jugendlichen verhaftet wurden. Es wurde behauptet, sie seien in Gewalttaten verwickelt. Das Ganze kam vor Gericht, das hat sich dann sehr lange hingezogen, und nachdem das Ganze achtmal vom Gericht vertagt wurde, wurde es schließlich nicht weiter verfolgt und das Verfahren niedergeschlagen.

Wie erklären Sie sich eigentlich - wenn das alles so gewesen sein soll - daß Murphy Morobe, der Sprecher des Gewerkschaftsdachverbands und großen Antiapartheidsorganisation UDF, daß er sich im Namen dieser Organisationen von Ihnen distanziert und die mangelnde Zusammenarbeit mit Ihnen kritisiert hat?

Unglücklicherweise reden wir hier von einem Prozeß, den die Gemeinschaft und zwei Organisationen auf eigene Faust führen. Der eigentliche Prozeß, der kommen wird, wird aber vor Gericht geführt, und erst dieser Prozeß wird die Wahrheit bringen.

Trotzdem, wie erklären Sie sich, daß die Distanzierung auf einer großen Pressekonferenz stattgefunden hat, und wohl auch mit dem Wissen, daß das auf die schwarze Bevölkerung, aber auch auf die internationale Öffentlichkeit große Wirkung haben wird. Was ist Ihrer Meinung nach der Hintergrund dafür?

Darüber kann ich mit Ihnen nicht reden. Ich habe Anweisung vom African National Congress, dem ANC, ich habe Anweisungen vom Genossen Präsidenten des ANC, Oliver Tambo, und mein Mann Nelson hat das gleiche gesagt. Er hat angeordnet, daß in der Öffentlichkeit nicht mehr weiter über die Familie diskutiert wird. Er selbst kann im Augenblick nichts darüber sagen.

Haben Sie mit Ihrem Mann, als sie ihn das letzte Mal im Gefängnis besucht haben, über all das gesprochen?

Genau das habe ich Ihnen gerade erklärt. Obwohl wir darüber gesprochen haben, bin ich nicht befugt, Ihnen darüber etwas Näheres zu sagen.

Das Interview führte ARD-Korrespondent Thomas Roth