Nationaler Dialog in Guatemala

■ Im Mittelpunkt der Gespräche stehen die 50.000 Flüchtlinge in Mexiko / Armee und Unternehmerverband boykottieren Gespräche, Guerilla bleibt ausgeschlossen / Hilfsgelder der EG zur Repatriierung der Flüchtlinge müssen ihrer Bestimmung zugeführt werden

Guatemala/Mexiko-Stadt (taz) - In Guatemala haben sich am Montag zum erstenmal Vertreter der Regierung, der politischen Parteien, der Gewerkschaften, der Kirche, der Menschenrechtsorganisationen und der etwa 50.000 in mexikanischen Lagern lebenden Flüchtlinge getroffen, um den im mittelamerikanischen Friedensabkommen von Esquipulas vorgesehenen Dialog aufzunehmen. Die Armee, der Unternehmerverband und einige rechtsextreme Parteien boykottieren die Zusammenkunft. Die in der URNG zusammengeschlossenen vier Guerillaorganisationen des Landes hatten zwar ihre Bereitschaft zur Teilnahme erklärt, wurden aber nicht zugelassen. Unter dem Druck der Militärs weigert sich die Regierung, mit der Guerilla Gespräche aufzunehmen, solange diese die Waffen nicht niedergelegt hat.

Beim nationalen Dialog geht es vor allem um die Repatriierung der Flüchtlinge, die in den mexikanischen Bundesstaaten Campeche, Quintana Roo und Chiapas leben und dort vorwiegend als Tagelöhner auf den Kaffeeplantagen arbeiten. Zu Beginn der 80er Jahre waren Zehntausende von Hochlandindianern vor der Repression der Militärs in die Berge, in den Dschungel und ins Ausland geflohen. Vor allem unter der Diktatur von General und Sektenprediger Rios Montt hatte die Armee im Rahmen der Aufstandsbekämpfung ganze Dörfer zerstört, Tausende von Bauern umgebracht und die Landbevölkerung in sogenannten Modelldörfern angesiedelt. Dort leben sie z.T. bis heute unter militärischer Bewachung und werden oft verpflichtet, sich im Rahmen des Antiguerillakampfes in Zivilpatrouillen zu organisieren.

Das Friedensabkommen von Esquipulas sieht die Reintegration der Flüchtlinge vor. Schon deshalb ist für den christdemokratischen Präsidenten Vinicio Cerezo die Heimkehr seiner Landsleute nicht unwichtig. Zudem steht die kürzlich von der Regierung eingesetzte Sonderkommission für Flüchtlinge (CEAR) unter Zugzwang. Sie muß die hauptsächlich von der EG zur Verfügung gestellten Hilfsgelder ihrer Bestimmung zuführen. An die 1,1 Millionen Dollar hat die CEAR im vergangenen Jahr für die Repatriierung der Flüchtlinge erhalten. Doch im Vorjahr haben sich lediglich rund 400 Familien - insgesamt etwa 2.000 Personen zur Rückkehr entschlossen. Sie wurden in Modelldörfern untergebracht, wo jede Familie 300 Dollar Starthilfe erhielt. Mit dem restlichen Geld wurden Kliniken und Häuser errichtet.

Weshalb so wenige? „Die Flüchtlinge warten ab, ob die Militärs in Guatemala die Zivilen weiter regieren lassen“, meint CEAR-Koordinatorin Rosa de Leon. Die Flüchtlinge selbst haben über ihre, in jedem Lager gewählten „Ständigen Kommissionen“ die Bedingungen für ihre Rückkehr öffentlich benannt. Sie verlangen die Rückerstattung ihrer Ländereien, die sie aufgrund der Repression verlassen mußten. Zudem fordern sie, daß internationale Beobachter ihre Rücksiedlung begleiten und dann in ihren Heimatdörfern das Leben überwachen dürfen. Vor allem aber bestehen sie darauf, daß in ihren Dörfern ausschließlich die zivilen Regierungsbehörden anwesend sind und die Militärs abgezogen werden. Dies aber lehnt Präsident Cerezo rundweg ab. „Man kann von den Sicherheitskräften nicht verlangen, mit bestimmten Personen keinen Kontakt zu haben. Das würde die nationale Einheit gefährden.“

Lilia Rubio/Thomas Schmid