Abseits

■ In Guatemala begann der nationale Dialog

Der Krieg in El Salvador, die Contra-Lager in Honduras und die Debatte um die Demokratie in Nicaragua haben den Fall Guatemala längst ins Abseits gedrängt. Völlig zu unrecht. Die Parteien El Salvadors setzten sich am Montag in Mexiko mit der Guerilla an einen Tisch, um über den Friedensvorschlag der Aufständischen zu beraten. In Guatemala wurde am selben Tag ein nationaler Dialog eröffnet - ohne Guerilla. In Nicaragua gibt es eine rechte Oppositionspresse, die unzensiert erscheint. In Guatemala wurde im vergangenen Jahr die einzige linke oppositionelle Zeitung buchstäblich ausgebombt.

Anders als in Nicaragua gibt es in Guatemala keine legalen Oppositionssender. Dafür gibt es - auch anders als in Nicaragua - Todesschwadronen, die laut UNO im vergangenen Jahr über 50 Personen „verschwinden“ ließen. Ein Riesenfortschritt für guatemaltekische Verhältnisse. Nur noch eine pro Woche. Trotz alledem stand beim jüngsten Mittelamerikagipfel die Demokratie Nicaraguas und nicht die Guatemalas zur Debatte. Dies ist zweifellos einer der größten Erfolge von Reagans Mittelamerikapolitik.

Auch anders als die Sandinisten hat Guatemalas christdemokratischer Präsident nie die Militärs der Diktatur entmachtet, einer Diktatur, die in 30 Jahren immerhin an die 80.000 Menschen ermordet hat. Nie sind die Militärs dafür zur Rechenschaft gezogen worden. Im Gegenteil, sie sind an den Schaltstellen der Macht geblieben und gerieren sich nun als Garanten der Demokratie, einer Demokratie zu ihren Bedingungen. Es sind Bedingungen, die die 50.000 Flüchtlinge, deren Rückkehr Cerezo über den nationalen Dialog nun anstrebt, schwerlich akzeptieren können: Modelldörfer, Zwangsrekrutierung in Zivilpatrouillen, und nichts spricht dagegen, daß die Rückkehrer - wenn es die Not erfordert - wieder als erste der Aufstands bekämpfung zum Opfer fallen.

Thomas Schmid