taz-Bespitzelung spaltet Ausschuß

Eklat bei der letzten Sitzung: Berliner Verfassungsschutz-Ausschuß geht ohne die Beteiligung von SPD und AL zu Ende / Anlaß war die „Obstruktionspolitik“ des noch amtierenden Innensenators Kewenig  ■  Aus Berlin Wolfgang Gast

Die letzte Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der die Skandale des Berliner Verfassungsschutzes aufdecken sollte, endete gestern mit einem Zerwürfnis. Wegen der „Obstruktionspoltik“ des Berliner Innensenators Wilhelm Kewenig verließen gestern die Vertreter von Alternative Liste (AL) und SPD die Sitzung. Sie hatten zuvor zum Komplex der Bespitzelung von Journalisten und der taz beantragt, mehrere VS-Mitarbeiter darunter auch zwei V-Mann-Führer - zu vernehmen. Nur wenige Tage vor Anlauf der Legislaturperiode wurde dieses Ansinnen von Kewenig torpediert. Nicht nur, daß die Aussagegenehmigungen der VS-Mitarbeiter derart eingeschränkt wurden, daß sie zu den aufgeworfenen Fragen keinerlei konkrete Angaben machen mußten, selbst vor der Wahl erteilte Aussagegenehmigungen wurden - weil „versehentlich erteilt“ zurückgezogen. Damit, so AL und SPD, habe Kewenig „eine Informationssperre gegen den Ausschuß“ verhängt.

Wie der CDU-Vertreter Franke (früher selbst jahrelang für den Verfassungsschutz tätig) schlug sich auch der Ausschußvorsitzende Finkelnburg auf die Seite des angeschlagenen Noch-Senators. „Wir wollen nicht dazu beitragen, dieses Amt arbeitsunfähig zu machen“, erklärte Finkelnburg und folgte damit den Ausführungen Kewenigs, der seinen V-Mann-Führern den Auftriit vor dem Ausschuß mit der vorgeschobenen Furcht vor einer „Entarnung“ verboten hatte.

Am Ende des Ausschusses wird es nun auch keinen schriftlichen Abschlußbericht geben. „Ein Bericht, bei dem die Hälfte der Parlamentarier nicht dabei ist, ist eine Farce“, begründete der Ausschußvorsitzende. Die Fraktionen hätten sich ohnehin nicht auf eine gemeinsame Fassung einigen können. Finkelnburg räumte gestern ein, das Landesamt bedürfe einer „rechtsstaatlichen Strukturierung“. Jahrelang habe sich der frühere Leiter des Landesamtes, Natusch, der Einführung von Richtlinien in seinem Hause widersetzt mit der Begründung, dem Amt würden damit „die Hände gebunden“. Zur Bespitzelung taz behauptete Finkelnburg aber, „daß zu keinem Zeitpunkt eine Person in der taz beschäftigt war, die irgendwie für den Verfasungsschutz gearbeitet hat“.

Die Vertreter von AL und SPD fanden in den Akten eine Fülle von Hinweisen, die auf die Einschleusung von V-Leuten in die taz hinweisen. So gibt es in der vielbändigen „Sachakte taz“ nicht nur Vermerke über Mitarbeiter aus dem Technikbereich der Zeitung und Hinweise auf Einschleusungen in mehrere westdeutsche taz-Initiativen - selbst das Redaktionsgeheimnis wurde vom VS gebrochen. Vom bayerischen Landesamt an die Berliner Kollegen übermittelt, findet sich in der Sachakte auch das Protokoll einer Sitzung der Inlandsredaktion dieser Zeitung. Aber nicht nur die Berliner Lauschbehörde hatte die taz routinemäßig auf die Tagesordnung gesetzt. Den Akten zufolge beschäftigten sich neben den diversen Landesämtern auch das Kölner Bundesamt in regelrechten Konferenzen mit dem Projekt taz. Das Interesse der Verfassungsschützer richtete sich nicht nur auf die Redaktion. Mitglieder des Fördervereines „Freunde der alternativen tageszeitung“ wurden ebenso erfaßt und gespeichert. Das „gleiche Überwachungsschicksal“ (Wieland) soll aber auch der SEW-Zeitung 'Wahrheit‘, der eingegangenen taz-Konkurrentin 'die neue‘ und der polizeikritischen Zeitschrift 'Cilip‘ widerfahren sein.