Endlose Flure und Sprachgewirr

■ Eindrücke aus Berliner Studentenwohnheimen

Sonntagnachmittag im Villenviertel Lichterfelde-West. Still ist es hier. Scheinbar der geeignete Platz für ein Studentenwohnheim. Zwischen den Villen taucht ein graues Betonklötzchen auf, verziert mit schwarz-weiß-roten Streifen, einem Wappen und einer großen Fahne in denselben Farben; es sind dies die Farben der Borusso-Saxonia, einer nichtschlagenden, farbentragenden Verbindung katholischer Studenten.

Martin kommt gerade aus dem Keller. Er trägt zwar keine Farben, schlägt dafür aber auch wirklich nicht, ist im Gegenteil sehr freundlich und bittet mich in sein Zimmer. Ein elf Quadratmeter kleiner Raum, grauer Fußboden, graue Wände, ein Poster von Samantha Fox, blond und lächelnd. Martin erzählt in gemütlichem bayerischem Dialekt: Das ganze Wohnheim schlafe quasi noch, gestern sei gefeiert worden. Das komme bei der Borusso häufig vor: Fahnenhissung und Semesterantrunk, Bayerischer Abend mit Bier, Feuerzangenbowle, Frühschoppen. Martin genießt das. Gemeinschaft, familiäres Zusammensein, guter Kontakt zu allen Bewohnern im Haus. Auch die Treffen mit den „Alten Herren“ findet er gut. Das Heim der Borusso-Saxonia bietet 20 Studenten Platz, fünf teilen sich eine kleine Küche und ein Bad. Ein Semester lang darf Mann dort probewohnen, dann muß er sich der Verbindung anschließen oder das Zimmer räumen. Der Borusso-Bewohner muß Mann, Verbindungsstudent, Deutscher und Katholik sein.

Wohnen am Hafenplatz

Ich irre durch labyrinthische Gänge, und still ist es hier, an einem Ort, wo über 400 Studenten auf einem Haufen wohnen. Das Studentenwohnheim am Hafenplatz hinter der Staatsbibliothek hat keine Gemeinschaftsküche, keine Studentenwohnheimromantik, nur babylonisches Sprachengewirr ist auszumachen. Zehn Stockwerke hoch graue Linoleumgänge, links und rechts endlos grüne Türen mit zyklopenhaften Gucklöchern. Schnell wieder raus.

In der Delbrückstraße 24, im noblen Grunewald, finde ich dann doch noch sowas wie minimalromantisches Wohnheimleben. Immerhin zwei asiatische Studenten stehen zusammen in der Küche und unterhalten sich, wohl über die Zubereitung zweier Fleischstücke, die auf dem Tisch liegen.

Zwei junge Frauen, die bei geöffneter Tür an einem Computer arbeiten, erzählen mir, daß dies hier nur ein Wohnheim für Erstsemester ist, die nicht aus Berlin sind. Die Mietverträge sind auf zwei Semester befristet, die absolute Notübergangslösung also.

Im Sommer ist das Heim ein Studentenhotel. Jetzt jedoch ist das Heim voll, und es gibt nichts mehr zu mieten.

Frauke Gust