Die Oppenheimer-Saga

■ Über die wundersame Symbiose eines Familienkonzerns mit dem Apartheidstaat Ein Geflecht von 1.350 Tochterfirmen mit 300.000 Beschäftigten als Stütze der regierenden „National Party“

Seitdem der 1902 aus Deutschland nach Südafrika emigierte Ernst Oppenheimer in den 20er Jahren mit der Übernahme des Diamantenkartells durch seine De Beers-Gesellschaft den Grundstein für das heutige Geschäftsimperium gelegt hatte, sind verschachtelte Minderheitsbeteiligungen - abgesichert durch eine geschickte Personalpolitik in den Führungsetagen

-zum Markenzeichen des Familienmultis geworden.

Das unternehmerische Rückgrat der Dynastie wird dabei von dem Dreieck zwischen der Ernst Oppenheimer and Son und den beiden Holdings der Anglo-American-Cooperation (AAC) und der De Beers Consolidated Mines gebildet. Letztere gehören sich gegenseitig zu je einem Drittel, während die Vatergesellschaft acht Prozent der AAC-Aktien und einen unbekannten Anteil an De Beers hält. Funktionieren kann dieses komplexe System der Kontrolle sich wiederum gegenseitig kontrollierender Firmen durch die Spitze des Oppenheimer-Clans nur durch dessen herausragende Position auf den internationalen Finanz- und Kapitalmärkten.

Schon die Gründung der AAC durch Ernst Oppenheimer im Jahre 1917 war nur mit Hilfe eines einflußreichen Bergbaufinanziers möglich gewesen, der später zum Präsidenten der USA werden sollte: Herbert C. Hoover. Im weiteren Verlauf der Oppenheimer-Geschichte war es dann das sorgfältig gepflegte Verhältnis zur Londoner City, das die weitere Expansion der Dynastie finanziell ermöglichte.

Nicht nur, daß beinahe sämtliche Führungskräfte, mit denen der Oppenheimer-Clan die Verwaltungsräte eigener und fremder Firmen bestückten, aus dem englischen Establishment stammten; häufig heirateten diese dann auch noch die höheren Töchter nützlicher konservativer Abgeordneter oder - wie der jetzige De Beers-Chef und Minorco-Vorsitzende Ogilvie Thompson - gleich in eine passende britische Handelsbank ein. Und im heimischen Südafrika hat Anglo den Apartheid-bedingten Rückzug der britischen Barclays Bank vor drei Jahren dazu ausgenutzt, durch die Aufstockung ihrer Anteile an der First National schließlich die Kontrolle über Südafrikas größte Bank zu übernehmen.

Aufgrund ihrer ungeheuren Macht war die Oppenheimer -Dynastie in Südafrika immer heftig umstritten. Als jüdische Einwanderer mit diskret-englischem Geschäftsgebaren waren Ernest und Harry Oppenheimer von Beginn ihrer Diamanten- und Goldkarriere an häufig das Ziel heftiger Angriffe aus dem Lager der Afrikaaner, die ihre Niederlage gegen das englische Finanz- und Großkapital im Burenkrieg nie vergessen konnten.

Als Oppositionspolitiker - zunächst in der United Party und später in der Progressive Party - machten sich die Führer des Oppenheimer-Clans vor allem in der seit 1948 herrschenden Nationalisten-Partei unbeliebt. Dabei waren Harry Oppenheimers dort kritisierte Stellungnahmen gegen das Apartheidsystem immer nur recht halbherzig. Wenn er sich gegen die Politik der Nationalisten aussprach, dann weil diese seiner Ansicht nach „den effektiven Einsatz schwarzer Arbeitskräfte unmöglich macht“, wie er sich 1978 ausdrückte.

Und wenn er die Apartheid verdammte, dann nur, weil er sah, wie die Repressionen des Regimes langfristig die Profitmöglichkeiten seines auf der Ausbeutung der schwarzen Wanderarbeiter aufgebauten Imperiums zu gefährden drohten. Oppenheimers Argumente gegen die Apartheid waren nie moralischer, sondern immer nur strategischer Art. Immer dann, wenn es wie 1961 in Sharpeville oder 1976 in Soweto zum offenen Ausbruch der Rassenkonflikte kam, waren es von Harry Oppenheimer zur Verfügung gestellte Gelder, die zur Entschärfung der prekären Situation in den Townships eingesetzt wurden.

„In den entscheidenden Augenblick beim Aufstieg von Anglo„, so schreiben die Autoren Pallister, Steward und Lepper in ihrem Buch über das Oppenheimer-Empire1, „garantierten sich die Oppenheimers und der südafrikanische Staat gegenseitig ihr Überleben“.

Fast jeder zweite schuftet für „Anglo“

Die Anglo-Gruppe kontrolliert heute 70Prozent der südafrikanischen Gold und Uranium- Produktion und über De Beers rund 80 Prozent des weltweiten Diamantenhandels. In der von nur wenigen Großkonzernen dominierten Volkswirtschaft Südafrikas gehören 60 Prozent der an der Johannesburger Börse gehandelten Aktien einem von Anglo kontrollierten Unternehmen. Sofern sich dies bei dem Netz von unübersichtlichen Schachtelbeteiligungen überhaupt feststellen läßt, ist Anglo mit seinen 1.350 Tochterfirmen die Nummer 25 in der Rangfolge der multinationalen Konzerne. Dabei arbeiten rund 300.000 der insgesamt 800.000 Arbeitskräfte zu Niedriglöhnen in den Bergwerken des Apartheidstaates.

Weltweite Expansion

Die industrielle Expansion der Anglo-Gruppe in Übersee hatte bereits in den frühen 60er Jahren mit der Anlage der in den südafrikanischen Minen erwirtschafteten Profite in Großbritannien und den Vereinigten Staaten begonnen. Mit Chartered Consolidated schuf sich Anglo 1965 in London eine Finanzholding, die auch die sich rasch ausweitenden Interessen der Gruppe in Frankreich, Australien und Malayia verwalten sollte. Und die seit 1971 - über Minderheitsbeteiligungen versteht sich - kontrollierte Engelhard-Gruppe in den USA wurde ein Jahrzehnt später der Minerals und Resources Corporation (Minorco) zugeschlagen. Ausgestattet mit einem Startkapital, das noch aus den sambesischen Kupferminen vor der Unabhängigkeit des Landes stammten und mit den Nettogewinnen aus profitablen Börsenoperationen vor dem Crash im vergangenen Oktober, soll Minorco mit der Übernahme des Konkurrenten Cons Gold nun die Expansionsstrategie der Oppenheimer-Dynastie außerhalb des krisengeschüttelten Apartheidstaates forcieren. Ob Anglo nun, wie es die Johannesburger 'Sunday Times‘ in den 60er Jahren behauptete, die National Party an der Macht halte, oder wie ein unlängst vom 'Wall Street Journal‘ zitierter CIA-Admiral vermutet „unter Kontrolle der südafrikanischen Regierung steht“ ist eine Frage von eher akademischer Bedeutung. In dem symbiotischen Verhältnis zwischen dem südafrikanischen Staat und der Anglo-Gruppe stellt letztere in jedem Falle die ökonomische wie ideologische Vorhut dar, die bereits die Weichen für die Zeit nach der Apartheid stellt.

1 Pallister, Stewart, Lepper: South Africa Inc. The Oppenheimer Empire. Corgi Books, London 1988