Das Gefühl für Gerechtigkeit ist wichtiger

Der Afrikanische Nationalkongreß fordert die interne Anti-Apartheid-Bewegung auf, Winnie Mandela nicht auszuschließen Staatsfernsehen verkündet die ANC-Spaltung: „Die Kinder der Gewalt fressen die Organisation selbst auf“  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Winnie Mandela „hat sich geweigert zu kooperieren und hat es vorgezogen, die Gefühle der Gemeinschaft zu ignorieren“, sagte letzte Woche der Sprecher des Oppositionsbündnisses UDF, Murphy Morobe. „Die Opposition möchte sich deshalb von Frau Mandela und ihren Taten distanzieren.“ Die interne Anti -Apartheid-Bewegung hatte Nelson Mandelas Frau in die Verbannung geschickt.

Drei Tage später meldete sich der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) aus seinem Hauptquartier in Lusaka zu Wort. Die Erklärung sprach von der Sorge des ANC über die „schwerwiegenden Entwicklungen“ in der Affäre um den sogenannten „Mandela-Fußballklub“, Winnie Mandelas Leibwächter. Die Organisation habe mit „Genossin Mandela“ gesprochen, aber „leider wurde unser Rat nicht beachtet“. Dennoch rief der ANC die Opposition dazu auf, Winnie Mandela „im Interesse des Volkes und des Kampfes die Türen zu öffnen“ - sie nicht auszuschließen.

„Ich war wirklich überrascht, als ich die ANC-Erklärung sah“, sagt Saci Macozoma, Pressesprecher des südafrikanischen Kirchenrates (SACC). „Ich habe mich gefragt, wie sie das nach der internen Distanzierung sagen konnten.“ Regierungsfreundliche Medien in Südafrika gingen sofort auf die Differenzen ein. Schon seit Tagen war in Fernsehberichten über Spaltungen im ANC gesprochen worden. Nun hatte sich die Propaganda offenbar bestätigt. „Der ANC befindet sich jetzt in einer politisch äußerst peinlichen Situation“, sagte Craig Williamson im Staatsfernsehen. Der ehemalige Spion, der in den siebziger Jahren den ANC infiltriert hatte, gilt als der führende rechte Experte, wenn es um den ANC geht. „Die Politik der Gewalt hat den ANC nun eingeholt, die Kinder der Gewalt, die er selbst geschaffen hat, fangen jetzt an, die Organisation selbst aufzufressen.“

Auch der konservative Zulu-Chef Mangosuthu Buthelzi versuchte, aus der Situation politisches Kapital zu schlagen. Er gab seiner Unterstützung für Winnie Mandela Ausdruck und betonte, daß er selbst ein guter Freund von Nelson Mandela sei.

Doch von einer wirklichen Spaltung zwischen interner Opposition und dem ANC kann kaum die Rede sein. „Der Staat wünscht sich natürlich eine Spaltung“, sagt Macozoma. „Aber der ANC weist einfach darauf hin, daß die Schritte, die man gegen Winnie Mandela ergreift, auch berücksichtigen müssen, daß sie einen wichtigen Beitrag geleistet hat. Welche Fehler auch gemacht wurden, sie sollten vor dem Hintergrund ihrer (Frau Mandelas) Mitwirkung und den Aktivitäten des Feindes gesehen werden.“ Es sei auch notwendig, daß Frau Mandela zur demokratischen Bewegung finde.

Mark Swilling, Mitarbeiter im Zentrum für politische Studien der Johannesburg-Witwatersrand-Universität, führt die Differenzen zwischen internen und externen Führern auf die zunehmende Distanz von der Basis zurück. „Die internen Führer mußten mit Winnie Mandela umgehen. Sie waren es, die den Druck von der Basis verspürten, etwas gegen sie zu tun; sie waren in einer ausweglosen Situation“, sagt Swilling. „Die externen Führer haben sich vor allem um die internationalen diplomatischen Konsequenzen der Affäre Sorgen gemacht. Die internen Führer haben an die Konsequenzen für die Basis gedacht, die von dieser Frau einfach genug gehabt hatte.“

Innerhalb Südafrikas sind sich allerdings nicht alle Aktivisten darüber einig, ob der Druck tatsächlich von „der Basis“ kam, oder ob es nur eine begrenzte Gruppe innerhalb der Opposition war, die Winnie Mandela angegriffen hat. Fatima Meer, Soziolgieprofessorin und Autorin einer Biographie von Nelson Mandela, spricht von einer „lokalen Gruppe“, die gegen Winnie Mandela sei. „Ich weiß mit Sicherheit, daß die schwarze Gemeinschaft gespalten ist, wenn es um dieses Thema geht“, sagt die Freundin von Winnie Mandela. Allerdings läßt sich diese Ansicht kaum anderswo belegen. Lediglich Leute, die besonders eng mit Winnie Mandela befreundet waren, räumen einige Zweifel ein. Ansonsten ist die Verurteilung einheitlich.

Viele Aktivisten in Südafrika sehen vor allem auch positive Aspekte an der Affäre. „Die Tatsache, daß die Opposition sich mit aller Deutlichkeit über dieses Problem ausgesprochen hat, zeigt, daß das Gefühl für Gerechtigkeit wichtiger ist als die Helden, die der Kampf hervorgebracht haben mag“, sagt Macozoma. Swilling spricht andererseits von einem Sieg der Basisdemokratie. „Natürlich hat das auch negative Auswirkungen.“ Winnie Mandela, ein internationales Symbol der Anti-Apartheid-Bewegung, sei schwer angeschlagen. Doch obwohl die Welt die südafrikanische Opposition durch Einzelpersonen wahrnehme, habe diese mit Individuen wenig zu tun. „Dies ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Basisbewegung“, sagt Swilling. „Einzelpersonen wie Winnie Mandela sind letztlich gar nicht so wichtig.“