Großangelegter Betrug an WAA-EinwenderInnen

Erörterungstermin basierte auf ungültigem Anlagenkonzept / Aktenschieberei zwischen DWK und Genehmigungsbehörde  ■  Aus München Luitgard Koch

Als „großangelegten Betrug an der Öffentlichkeit“ bezeichnete gestern der bayerische SPD-Landtagsabgeordnete Helmut Ritzer den umstrittenen WAA-Erörterungstermin im Sommer 1988. Die DWK hatte nämlich bereits Ende April '87 eine revidierte Konzeptbeschreibung beim Umweltministerium eingereicht. Erörtert wurde in Neunburg vorm Wald jedoch auf der Grundlage der alten Konzeption, genannt „Revision 01“. Die Änderung wurde mit keinem Wort von den Vertretern des Umweltministeriums in Neunburg erwähnt. Auch der Landtag wurde nicht unterrichtet. Ritzer, der auch stellvertretender Vorsitzender des kürzlich eingesetzten WAA -Untersuchungsausschußes ist, forderte deshalb den Rücktritt des bayerischen CSU-Umweltministers Alfred Dick.

Gleichzeitig hatte das bayerische Umweltministerium dem Rechtsbeistand der Einwender, Rechtsanwalt Wolfgang Baumann, eine weitere Akteneinsicht nach dem 30. April verweigert. Die letzte Akteneinsicht vor Beginn des Erörterungsverfahren zur zweiten atomrechtlichen Teilgenehmigung gewährte ihm die Genehmigungsbehörde erst am 22.April des vergangenen Jahres, dem letzten Termin für die Eingabe von Einwendungen gegen die „Oberpfälzer Atommüllfabrik“.

Der Verdacht, daß bei dem nach sechs Wochen abrupt abgebrochenen Anhörungsverfahren mit gezinkten Karten gespielt wurde, erhärtete sich nach einer Akteneinsicht, die das Ministerium den WAA-GegnerInnen Anfang Januar dieses Jahres gestattete. Dabei tauchte ein Briefwechsel zwischen DWK und Umweltministerium auf, in dem die DWK dem Ministerium rät, die alten Akten mit den überholten WAA -Konzepten zu vernichten anstatt sie an die DWK zurückschicken.

Ob die fehlenden Akten nun vernichtet wurden, konnten die WAA-Gegner noch nicht klären. Fest steht jedoch nach Ansicht von Rechtsanwalt Baumann, daß dieses Vorgehen unzulässig ist. Grund: Vor Gericht muß zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens überprüfbar sein, ob wesentliche Änderungen vorgenommen wurden. Baumann forderte deshalb ein neues Genehmigungsverfahren sowie einen erneuten Erörterungstermin. „Die DWK weiß überhaupt nicht, was sie bauen will, das sieht man an der Änderungsfrequenz“, kritisierte Michael Sailer vom Öko-Institut Darmstadt die Betreiber der WAA.

Die unzulängliche Aktenlage erschwere auch die Arbeit des WAA-Untersuchungsausschusses erheblich, stellte Ritzer fest. Es sei nun Aufgabe des Ausschusses, herauszufinden, auf „welchen Kanälen die Akten versickert sind“.