Appetit auf mehr

■ Bilanz des Untersuchungsausschusses Verfassungsschutz

Aller Skepsis, auch und gerade dieser Zeitung zum Trotz, muß man zum vorläufigen Ende des Berliner Untersuchungsausschusses über „Fehlentwicklungen beim Verfassungsschutz“ feststellen: Der Ausschuß hat mehr gebracht als erwartet. Das begann bereits mit der Offenbarung der Bespitzelung des VS-Kontrolleurs Pätzold und setzte sich mit der Aufdeckung der Angriffe des Geheimdienstes auf die taz fort.

Daß die CDU mitsamt ihrem Ausschußvorsitzenden Finkelnburg sich bis zuletzt mit einer Fehlinterpretation der bekanntgewordenen Fakten aus der Affäre zu ziehen versucht, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die jahrelange Bespitzelung der taz „im Ganzen“ zweifelsfrei belegt ist. Das zeigt nicht zuletzt eine meterbreite Sachakte „taz“, die bis ins Jahr 1988 reicht. Verhindern konnte der Innensenat lediglich präzise Aussagen zu V-Leuten, die das Amt in der taz plaziert hatte. Daß hier noch mehr im Busche ist als die Episode des Spitzels „Hermsdorf“, machte Kewenig noch einmal deutlich, als er die Notbremse zog und Aussagegenehmigungen für zwei V-Mann-Führer wieder zurücknahm. Die waren offenbar bereit, mehr zu erzählen, als dem Innensenator lieb sein konnte.

Letztlich wird aber auch das auf Dauer nicht zu vertuschen sein. Der Untersuchungsausschuß wird in der kommenden Legislaturperiode neu eingesetzt. Der zukünfige Senat wird selbst im Falle einer großen Koalition erhebliche Konsequenzen beim Verfassungsschutz ziehen. Denn daß dort „Handlungsbedarf“ besteht, kann selbst die CDU nicht mehr bestreiten.

Jürgen Gottschlich