Knast für Volkszählungsgegner

Im Hunsrück wurde erstmals ein Haftbefehl gegen einen Volkszählungsgegner vollstreckt / Gemeinde erwirkte Haftbefehl wegen unbezahlten Bußgeldes: Ein halbes Jahr Erzwingungshaft für 125 Mark  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Fast zwei Jahre nach der Volkszählung ist jetzt erstmals ein standhaft gebliebener Volkszählungsboykotteur verhaftet worden. Sechs Monate wird der 53jährige Dieter J. in der Karlsruher Justizvollzugsanstalt absitzen müssen, wenn er sich in der Zwischenzeit nicht überlegt, ein Bußgeld an seine Heimatgemeinde zu zahlen oder einen Offenbarungseid abzulegen. Die strittige Summe, die dem hartnäckigen Boykotteur jetzt ein halbes Jahr Haft einbringt: 125 Mark.

Weil Dieter S., wie viele andere Boykotteure auch, weder den umstrittenen Volkszählungsbogen ausgefüllt, noch Zwangs und Bußgelder gezahlt hatte, hatte ihm die Verbandsgemeinde Emmelshausen im Hunsrück den Gerichtsvollzieher ins Haus geschickt. Der stellte bei seiner Visite fest, daß bei dem Boykotteur einfach nichts zu holen ist. Dennoch bestand die Gemeinde auf Eintreibung des Bußgelds. Wenn Dieter S. die 125 Mark nicht zahlen könne, dann müsse er eben eine eidesstattliche Erklärung über seine Vermögensverhältnisse ablegen, im Volksmund Offenbarungseid genannt.

Das wiederum sah Dieter S. nicht ein. Bei einem solchen Offenbarungseid müsse er sogar noch mehr persönliche Daten preisgeben als bei der Volkszählung. Darüber hinaus kann ein solcher Offenbarungseid, der amtlich festgehalten wird, für den Betroffenen auch in der Zukunft zahlreiche Nachteile haben, z. B. bei einer Kreditaufnahme oder der Wohnungssuche. Außerdem, so hatte der 53jährige argumentiert, habe er gar nichts zu büßen, denn er sei Boykotteur aus Überzeugung.

Ende letzter Woche klingelte dann erneut der Gerichtsvollzieher bei Dieter S. - diesmal mit einem Haftbefehl, den die Gemeinde wegen des nicht gezahlten Bußgelds erwirkt hatte. Vorgestern dann sollte Dieter S. beim Amtsgericht St.Goar in Anwesenheit des Gerichtsvollziehers einen Offenbarungseid ablegen. Als er sich erneut weigerte, wurde er im Gericht verhaftet und in die Karlsruher Haftanstalt gefahren.

Der Bürgermeister von Emmelshausen erklärte gestern auf Nachfrage der taz, die Gemeinde jedenfalls werde von ihrer Forderung nicht zurückweichen. Dabei gehe es nicht um das Geld, sondern „um die Sache selber“. Dieter S. habe es selber in der Hand, seine Haft dadurch zu verkürzen, daß er „einsichtig“ werde und den Offenbarungseid ablege.