Anschlag auf Polizeikritiker

Schuß auf Verfassungsschützer Pengel, der die niedersächsischen Polizeiaffären enthüllte  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Der niedersächsische Verfassungsschützer Klaus Pengel, dessen interner Bericht über die Verwicklung von hannoverschen LKA-Beamten in illegale Waffen- und Drogengeschäfte die niedersächsischen Polizeiaffären ins Rollen gebracht hatte, ist am Montag abend nur knapp einem Attentat entgangen. Auf Pengel wurde gegen 22 Uhr 45 ein Schuß abgegeben, als dieser auf dem Weg zu seiner Wohnung gerade den Fahrstuhl in einem hannoverschen Hochhaus verlassen wollte.

Der Kriminalhauptkommissar beim Verfassungsschutz konnte den im Dunkeln stehenden Schützen nicht identifizieren. Nach Angaben der Polizei, die zunächst am Dienstag jewede Auskunft zu dem Anschlag verweigerte, stammt das Projektil aus einer Waffe vom Kaliber 38 mm. Die Polizei ermittelt zur Zeit nur „wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung“.

Verfassungsschützer Pengel sollte am Tag nach dem Schuß erstmals von der Staatsanwaltschaft Hannover zu seinem Anfang 1988 öffentlich gewordenen internen Bericht über die Verstrickung von LKA-Beamten in Straftaten vernommen werden. Die Anwältin des Verfassungsschützers bewertete den Schuß gestern als Einschüchterungsversuch vor der staatsanwaltlichen Vernehmung, die danach auch tatsächlich verschoben wurde.

Der als „Pengel-Papier“ bekanntgewordenene Bericht des Verfassungsschützers trägt auf knapp 30 Seiten in einer Art Sittengemälde Verdachtsmomente gegen eine untereinander einst gut bekannte Gruppe aus Beamten des Landeskriminalamts, verschiedenen mit Waffengeschäften befaßten hannoverschen Geschäftsleuten und einem bis vor kurzem auch in der Justizvollzugsanstalt Hannover tätigen Arzt zusammen. Die Vorwürfe des Pengel-Papiers reichen vom illegalen Export eines Frühwarnsystems nach Syrien, über Rauschgifthandel und -konsum eines LKA-Drogenfahnders und die Vertuschung zahlreicher anderer Straftaten bis hin zum Verdacht, der Selbstmord einer Freundin eines LKA-Beamten mit dessen Dienstwaffe sei kein solcher gewesen. Die in dem Papier beschriebenen Personen sind größtenteils auch Mitglieder einer Freimaurerloge.

In dem Pengel-Papier sind auch Überfälle und Drohungen gegen Kriminalbeamtinnen, die zufällig einiges von den dunklen Geschäften der Gruppe erfahren hatten, erwähnt. Der Verfasser selbst ist zu den Vorwürfen bereits tagelang von einem Sonderermittler im niedersächsischen Innenministerium vernommen worden. Während der Sonderermittler den Inhalt des Pengel-Papiers offenbar sehr ernst nimmt, ermittelt die Staatsanwaltschaft lediglich gegen Klaus Pengel selbst wegen übler Nachrede und dem Verdacht des Geheimnisverrats. Nach Ansicht von Pengels Anwältin, Hela Rischmüller, müßte allerdings auch in einem Prozeß um die zehn Strafanzeigen wegen übler Nachrede, zu denen Pengel am Dienstag erstmals vernommen werden sollte, der ganze in dem Papier beschriebene Wust von Straftaten erörtert werden. Für die Vorwürfe, so kündigte die Anwältin an, könne man in einem solchen Verfahren den Wahrheitsbeweis erbringen.