Zähneknirschend Kröten geschluckt

■ Der Delegiertenrat der Alternativen Liste nahm mit großer Mehrheit das Essential-Papier an / Kritiker von Harald Wolf und Birgit Arkenstette blockierten sich gegenseitig / Die nächste Mitgliederversammlung wurde auf den 8.März festgelegt

„Die SPD hat in den letzten Jahren Lernprozesse gemacht, über die wir selbst überrascht waren“, Albert Statz, Mitautor des Essential-Papiers, versuchte gestern den Delegierten der AL am Mittwoch abend die „Kröten“ schmackhaft zu machen. Man habe „Verständnis für die wechselseitigen Positionen“ erreicht. Die „Logik“ des Papiers, und das schienen viele Delegierte, wie die nachfolgende Diskussion zeigte, nicht richtig zu werten, sei eben nicht die des AL-Programms, es handele sich um eine „konkrete Grundlage für eine pragmatische Kooperation“.

Trotzdem, die Delegierten konstatierten „Identitätsprobleme“. Einen „harten Brocken“ nannte Siggi Fries die im Papier festgelegte Zustimmung zur Übernahme der Bundesgesetze. Sie behält sich vor, weiter auch gegen Bundesgesetze auf der Straße Politik zu machen. Margarete von Galen befürchtet, daß die „AL dabei ist, ihre Eigenständigkeit zu verlieren“. Die Partei sollte jetzt mal „ihre“ Essentials, Umweltschutz, mehr Demokratie und mehr soziale Gerechtigkeit in die Debatte bringen. Einen „großen strategischen Fehler“ nannte Micha Hammerbacher die Zustimmung zum Essential-Papier. Man habe sich „voll auf den Druck der SPD“ eingelassen. Und Ulf Preuss-Lausitz fehlte im Gewaltteil die Selbstverpflichtung der Institutionen, alles zu tun, um „bei sich selbst“ Gewalt abzubauen. Heinz Kappei ist „fast vom Stuhl gefallen“, als er das Ergebnis der Zeitung entnahm. Nach einer kurzen und sachlichen Debatte hoben aber dann alle, bis auf Arend Wellmann vom Hochschulbereich, die Hand für die Annahme des Papiers. Manche „zähneknirschend“.

Weit weniger sachlich und gar nicht kurz war die anschließende Diskussion über die Äußerungen von Birgit Arkenstette und Harald Wolf beim Treffen des „Linken Forums“ der Grünen in Bonn. In Anträgen verschiedener Bezirke (Wilmersdorf, Steglitz, Charlottenburg), einem Einzelantrag von Micha Wendt und dem neuen Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Wachsmuth werden die beiden kritisiert - wenn auch in unterschiedlicher Schärfe und Intention. Birgit Arkenstette hatte in Bonn gesagt, für sie sei durch das Essential-Papier das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkannt, und Harald Wolf hatte in der Form der Zusammenarbeit mit der SPD für Tolerierung plädiert. Vorgeworfen wurde den beiden, federführend von den „Grünen Panthern“, daß sie damit eine inhaltliche Einigung mit der SPD torpediert und in unzulässiger Weise aus innerparteilichen strömungspolitischen Gründen ihre Position als Verhandlungsführer mißbraucht hätten. Arkenstette und Wolf nahmen Teilen der Kritiker den Wind aus den Segeln, indem sie selbst ihr Verhalten als „politischen Fehler“ eingestanden. (siehe untenstehende Doku). „Stellt euch die umgekehrte Situation vor“, versuchte Bernd Köppl die „Tragweite“ klarzumachen. „Wenn Momper zur IG-Bau gehen würde und, nachdem wir uns geeinigt haben, daß die Autobahn nicht gebaut wird, sagt, gegen eine vierspurige Schnellstraße habe er persönlich nichts einzuwenden“. Trotzdem fand es Albert Statz „grotesk, daß zwei Sätze in Bonn die rot-grünen Verhandlungen gefährden sollen“. In der Abstimmung blockierten sich alle Strömungen gegenseitig. Kein Antrag wurde angenommen.

Zu früher Stunde, morgens um halb eins, beschloß der Delegiertenrat dann noch als Termin für die nächste MVV den 8.März.

bf