Beerdigungs-Diplomatie

■ Heute wird der japanische Kaiser unter internationaler An-Teilnahme beerdigt

Tokio (dpa/afp/taz) - Vertreter aus 163 Staaten verneigen sich heute anläßlich der Beerdigungsfeierlichkeiten für den im Januar verstorbenen Kaiser Hirohito vor Gott Mammon: der Wirtschaftsmacht Japan. Die Handelspolitik nahm am Donnerstag bei den Höflichkeitsbesuchen der deutschen Delegation zu den Trauerfeierlichkeiten eine prominente Rolle ein. Als dankte es der alte Kaiser Bundespräsident Weizsäcker, daß der die umstrittene Reise an das Grab eines von Kriegsschuld nicht einwandfrei freigesprochenen Staatsoberhauptes auf sich nahm, nimmt der alte Kaiser neben 100 weiteren Gegenständen aus seinem Privatbesitz ein Mikroskop Made in Germany mit ins Grab. Ministerpräsident Takeshitas Äußerungen über die Frage der Kriegsschuld Japans im Zweiten Weltkrieg hatten in den letzten Tagen für diplomatischen Unmut gesorgt: Künftige Historiker, hatte Takeshita gesagt, sollten darüber urteilen, ob Japans Kriegsaktivitäten Aggressionen gewesen seien oder nicht. Ähnlich „hart zu beurteilen“ sei auch, ob der von Hitler begonnene Krieg in Europa ein Aggressionskrieg gewesen sei.

Überdies gerät die eigentlich verfassungswidrige Gott -Kaiser-Bestattung nach klassischen Shinto-Riten zu einem Spektakel für Japans Ultra-Nationalisten. Shinto-Anhänger erhoffen sich durch die Zeremonie für ihren höchsten Geistlichen, den Kaiser, eine Rückkehr zum „Nippon Seishin“ und zur „Yamato Damashii“ - zu japanischem Geist und zur japanischen Seele. In den 30er und 40er Jahren beflügelten diese Begriffe Japans militaristische Expansionspolitik im Sinne bedingungsloser Loyalität gegenüber dem Kaiserhaus, eines eisernen Zusammenhalts des japanischen Volks und seiner Superiorität.

Weizsäcker gab sich indessen ganz als Kulturrelativist und betonte gegenüber Journalisten, jedes Volk müsse mit seiner eigenen Geschichte fertig werden. Die japanische Regierung unternimmt dies unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen. Allein in Tokio wurden 30.000 Polizisten zusammengezogen, Fenster entlang des Trauerzuges zugemauert und Hausmeister zur Identität der Anwohner befragt. Wenn auch die linksgerichtete Opposition die Trauerfeierlichkeiten boykottiert, der Regierung Takeshita sind sie eine willkommene Ablenkung von innenpolitischen Schwierigkeiten durch den aufgedeckten Recruit-Kosmos-Korruptionsskandal.

Die internationalen Staatsgäste betreiben am Rande des „Übergangsrituals“ eine höchst effiziente Quickdiplomatie, bei der die neuen Ost-West-Beziehungen im Mittelpunkt stehen: rund 20 Staatschefs will allein US-Präsident George Bush bei seiner ersten Auslandsreise kontaktieren. Weizsäcker und Genscher wollen die Kollegen Baker und Bush jedoch erst nach der Beisetzung, wenn Reines von Unreinem wieder geschieden ist, empfangen.

sl