Warum sind Robben immunschwach?

Erstes Internationales Symposium zum Seehundsterben in der Tiermedizinischen Hochschule Hannover / Wissenschaftler einig: Robben viruskrank und immunschwach zugleich  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Die 20.000 Seehunde, die im vergangenen Jahr in Europa Opfer des großen Robbensterben wurden, litten gleichzeitig an einer Virusinfektion und an einer Schwächung des Immunsystems. Zumindest in diesem Punkt waren sich die 200 Wissenschaftler einig, die sich zum ersten großen internationalen Symposium zum Robbensterben in der Tiermedizinischen Hochschule Hannover (TiHo) getroffen hatten.

Doch auch nach den 39 Vorträgen des zweitägigen Symposiums gaben die weltweit führenden Robbenspezialisten sehr unterschiedliche Antworten auf die entscheidende Frage, ob Umweltschadstoffe nicht dennoch die eigentliche Ursache des Robbensterbens sind. Auf der abschließenden Pressekonferenz einigte man sich auf die Formel, „der Zusammenhang zwischen Umweltbelastung und Sterberate“ müsse noch untersucht werden.

Die eigentliche Ursache der tödlichen Seehundkrankheit sei eine Infektion mit den den Hundestaupe-Erregern ähnlichen Morbili-Viren, und diese Viren würden auch das Immunsystem der Tiere attackieren, so erklärte Professor Joachim Pohlenz, Sprecher des einladenden Arbeitskreises Robbensterben an der TiHo, den Robbentod. Es sei überhaupt nicht klar, ob die Immunschwäche der Robben Folge oder die Ursache der Ausbreitung der Virusinfektion gewesen sei, trat dem der Hannoversche Professor Leibold entgegen.

Weltweit führen bisher lediglich zwei der in Hannover anwesenden Wissenschaftler, die Niederländer Dr. Peter Reijnders und A. L. Osterhaus, spezielle Untersuchungen zu der entscheidenden Frage durch, ob Umweltschadstoffe ursächlich für die Immunschwäche der Robben und damit letztlich auch für die Virusseuche sind. Dr. Peter Reijnders gab sich überzeugt, daß mit der Nahrung aufgenommene PCBs das Immunsystem der Robben angreifen. In zwei bis drei Wochen würden seine ersten diesbezüglichen Untersuchungen abgeschlossen sein, sagte der Niederländer am Rande des Symposiums in Hannover.

Die beiden holländischen Wissenschaftler wollen anschließend in einem großen Versuch Robben, die bisher in einem nicht mit Schadstoffen belasteten Gebiet gelebt haben, mit PCB-haltigen Fischen aus verschiedenen Seegebieten füttern und dann ihr Immunsystem untersuchen. Professor Leybold will der Wirkung der staupeähnlichen Viren auf das Immunsystem dadurch nachgehen, daß er unbelastet ernährte Robben in Kontakt mit den Erregern bringt. Der Zusammenhang zwischen Robbensterben und Umweltbelastung, so blieb in Hannover als Ergebnis, ist vor allem deswegen noch nicht geklärt, weil so wenige Wissenschaftler speziell in diese Richtung forschen.