Die SPD übt fleißig mit

Berlin (taz) - „Angesichts der Initiativen der Sojwetunion wären Nato und Bundesregierung gut beraten, dieses gespenstische Planspiel aus den Zeiten des Kalten Krieges nicht zu wiederholen sonder ganz einfach abzusetzen“. So lautet die herbe Kritik an der diesjährigen „Wintex-Cimex„ -Stabsübung, die der Bonner SPD-Abgeordnete Horst Jungmann gestern an die Presse verteilte. Ähnlich scharfe Töne hört man inzwischen überall in der SPD, auch von den jeweiligen Landesregierungen - und trotzdem üben sie fleißig mit: Alle SPD-regierten Bundesländer beteiligen sich auch in diesem Jahr wieder an der Übung „Wintex-Cimex“, allerdings in unterschiedlichem Umfang. Dabei hätten die sozialdemokratischen Landesregierungen aus diesem zivil -militärischen Planspiel umstandslos aussteigen können. Spätestens seit Sommer letzten Jahres stand fest, daß es Sache der Länder ist, zu entscheiden, ob sie sich beteiligen oder nicht. Das hat das Kanzleramt am 22.Juli auf eine Anfrage der Grünen bestätigt. Selbst die Fachleute der SPD haben dies zunächst mit ungläubigem Staunen aufgenommen. Sie gingen bis dahin offenbar davon aus, daß die Länder nur das Ausmaß des Mitspielens bestimmen könnten.

Gerade das diesjähre Planspiel hätte für etwas größere Konfliktfreude reichlich Anlaß geboten. „Neben dem bisherigen Übungsziel, den Ersteinsatz von Nuklearwaffen im Freigabeverfahren zu üben, ist das Szenario der Übung 1989 so auf Eskalation angelegt, daß daraus zwingend der Folgeeinsatz von Atomwaffen erfolgt“, kritisiert Horst Jungmann. Und: „Atomwaffen werden in dieser Übung nicht als politische Waffe zur Beendigung einer militärischen Auseinandersetzung benutzt, sondern als Kriegsführungswaffe.“ Überhaupt kritisiert die SPD, daß weder bei dieser noch bei früheren Stabsübungen jemals Schritte zum Abbau von Spannungen und zur Beherrschung von Krisen erprobt worden sind. Im Gegenteil: „Die politische Krise ist so gestaltet, daß es zum Krieg kommen muß“, betont Horst Jungmann. Weil es so brisante Krisensituatinen geben könne, werde daraus gefolgert, daß es jederzeit zum Krieg kommen kann. Dieser Ablauf der Übung setze sich in den Köpfen aller Mitspieler fest, meint Jungmann, und daraus würden auch militärische Forderungen abgeleitet.

Trotzdem stellt Schleswig-Holstein, das Saarland und Bremen eine sogenannte „Ansprechgruppe“ (die niedrigste Stufe der Beteiligung) zur Verfügung, während sich Hamburg und Nordrhein-Westfalen sogar auf der mittleren Ebene, mit einer sogenannten „Rahmenleitgruppe“ beteiligen. In Nordrhein -Westfalen bedeutet das etwa, daß nicht nur Beamte aus vier Ministerien mitüben, sondern auch zwei (von fünf) Regierungspräsidien, zwei Stadtverwaltungen, fünf Kreise sowie zehn kleinere Gemeinden.

Daß sie sich auf das Kalte-Kriege-Spiel trotz Kritik wieder brav einlassen, rechtfertigen die SPD-Länderregierungen überall mit ähnlichen Argumenten: Die Sozialdemokraten wollen die Übung nicht gänzlich abschaffen, sondern „reformieren“. Und sie erhoffen sich durch braves Mitspielen in diesem Jahr, auf das Szenario für die nächste Wintex -Übung Einfluß nehmen zu können. Die nächste Übung ist in zwei Jahren, das Szenario wird von den Nato-Militärs bereits jetzt entworfen. „Wir wollen sehen, wie Wintex-Cimex andere Akzente bekommen kann“, erläutert Pressesprecher Giebler vom Kieler Innenministerium. „Und wir wollen sehen, was die Übung für den zivilen Katastrophenschutz bringt“, fügt er hinzu. Auch Pressesprecher Harmeier vom NRW-Innenministerium betont, daß die Übung immerhin noch für den zivilen Katastrophenschutz von Nutzen sein könnte: „Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn der Einsatz ziviler Katastrophenschutzstäbe geübt wird.“ Allerdings will sich die SPD Nordrhein-Westfalens beim nächsten Mal etwas konfliktfreudiger zeigen: „Wir wollen, daß das Szenarion verändert wird. Wenn das nicht erreicht wird, werden wir nicht mehr teilnehmen“, kündigt Harmeier an.

Daß die Wintex-Planspiele für den Katastrophenschutz von Nutzen sein könnte, hat ein anderer SPD-Politiker heftig bestritten. Wilhelm Nöbel, Mitglied im Innenausschuß des Bundestages: „Geübt werden militärische Konflikte und deren Auswirkungen auf zivile Dienststellen. Eine länderübergreifende Naturkatastrophe in Friedenszeiten hat mit dieser Stabsrahmenübung nichts zu tun.“

Ursel Sieber