Todesschüsse an der Mauer bestätigt

■ Familienangehörige erklären, daß ihr Sohn Chris Gueffroy bei einem Fluchtversuch erschossen wurde

Berlin (taz) - Anfang Februar ist ein junger Ostberliner bei einem Fluchtversuch über die Berliner Mauer von DDR -Grenzsoldaten erschossen worden. Das wurde gestern auf der Beerdigung des Opfers von engsten Familienangehörigen bestätigt. Zuletzt war vor zwei Jahren ein DDR-Bürger bei einem Fluchtversuch umgebracht worden. Bei dem nach Augenzeugenberichten durch Maschinengewehrsalven getöteten Mann handelt es sich um den 20jährigen Chris Gueffroy. Christian Gaudian, der zusammen mit Gueffroy fliehen wollte, wurde durch Schüsse verletzt.

Die beiden hatten in der Nacht auf den 6.Februar versucht, die Spree vom Ostberliner Bezirk Treptow aus nach Neukölln zu durchschwimmen. Ihr Fluchtversuch wurde entdeckt und das Feuer eröffnet. Einen Tag später erhielten die Angehörigen von Gueffroy ein amtliches Schreiben, in dem mitgeteilt wurde, Gueffroy sei wegen des Fluchtversuchs zu 18 Monaten Haft verurteilt worden. Daß der 20jährige ums Leben gekommen war, wurde zunächst verschwiegen. Erst später wurde die Familie von den Behörden eingeladen - um den Leichnam zu identifizieren.

Zur Beerdigung im Ostberliner Stadtteil Baumschulenweg waren gestern etwa 120 Menschen erschienen. DDR-Polizisten kontrollierten während der Trauerfeier auf dem Gelände und am Eingang des Friedhofs die Personalien der Verwandten und Freunde des Toten. Der Tod Gueffroys war am Dienstag in einer Ostberliner Zeitung inseriert worden. Die Todesursache wurde dort als „tragischer Unglücksfall“ bezeichnet.

DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker äußerte sich nicht konkret und kündigte an, den Vorfall „untersuchen zu lassen“. Das DDR-Außenministerium hatte den Schußwaffengebrauch Anfang Februar noch abgestritten.