Zwangsrekrutierung auf marsch!

Minister Blüm verplant Arbeitskräfte für den Krieg / Neue Notstandsverordnung verabschiedet  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Rechtzeitig zum heute beginnenden Nato-Kriegsspiel „Wintex -Cimex“ hat das Kabinett eine neue Notstandsverordnung verabschiedet: In allen 149 Arbeitsämtern der BRDwerden „Arbeitskräfteausschüsse“ eingerichtet, die bereits im Frieden den Personalbedarf für Krise und Krieg planen und Zwangsrekrutierungen für kriegswichtige Betriebe vorbereiten. In den Ausschüssen sitzen neben Vertretern von Verwaltung, Bundeswehr und Arbeitgebern auch die Arbeitnehmer - die DGB-Führung hatte der konzertierten Aktion fürs Vaterland bereits 1984 zugestimmt.

Schon 1968 wurde die Bundesregierung zu der Verordnung ermächtigt - durch das „Arbeitssicherstellungsgesetz“, eines der von den Gewerkschaften damals heftig bekämpften Notstandsgesetze. Noch vor zwei Jahren scheiterte das Projekt aus dem Hause Blüm allerdings Fortsetzung auf Seite 2

Tagesthema zu Wintex auf Seite 3

am lauten Einspruch der FDP („überflüssig und gefährlich“). Jetzt sind die Liberalen leise umgefallen: Sang- und klanglos passierte die Verordnung am 25. Januar das Kabinett. Rechtskräftig wird sie erst, wenn der Bundesrat ihr am 10.März zustimmt. Doch bei der laufenden Wintex-Übung dürfte sie bereits wie andere Schubladengesetze zur Anwendung kommen. Bei dieser zivil-militärischen Trockenübung wird in großem Maßstab der Notstand einstudiert. In der amt

lichen Begründung führen Blüms Notstandsstrategen direkt frühere Erfahrungen bei Wintex-Cimex an: Dort habe sich gezeigt, „daß der Arbeitskräftebedarf ohne eine eingeübte Zusammenarbeitsregelung nicht rechtzeitig und auch nicht sachgerecht gedeckt werden kann“.

Und so soll die „Arbeitssicherstellung“ laut Verordnung funktionieren: Öffentliche und private Arbeitgeber - von der Rüstungsfirma bis zum Wasserwerk - melden ihren Personalbedarf für den Spannungs- und Verteidigungsfall den Arbeitsämtern. Die „erfassen“ diese Meldungen mit umfangreichen Karteien. Für die Bedarfsdeckung sollen „vorrangig“ Arbeitslose eingeplant werden; wenn „nicht oder nicht rechtzeitig genügend Freiwillige gewonnen werden können“, sind Zwangsverpflichtungen gemäß Arbeitssicherstellungsgesetz „vorzusehen“. Über die Dringlichkeit des Bedarfs wird nach klaren Kriterien entschieden: zuerst kommt die „Einsatzfähigkeit der Streitkräfte“, zuletzt die Versorgung der Zivilbevölkerung.

Der DGB hatte dem Verordnungsentwurf bereits 1984 zugestimmt. Innergewerkschaftlich gab es später Krach deswegen. Vor der jetzigen Verabschiedung wurde der DGB nicht noch einmal gehört, doch hat sich die Meinung in der Düsseldorfer Zentrale anscheinend nicht geändert. Die staatlichen Eingriffe in die Arbeitnehmerrechte seien bereits 1968 festgeschrieben worden, und die Verordnung gehe nicht darüber hinaus, versucht sich der DGB-Referent für Arbeitsmarktpolitik, Möller-Lücking, herauszuwinden. Als nachträgliche Zustimmung zu den Notstandsgesetzen dürfe das nicht verstanden werden.