: Seh'n oder Nichtseh'n
■ Radio Bremens „Extratour“: Massig Leckebusch, wenig Außenreportage, viel langweilig
Es gab mal eine Zeit, da „Extratour“ - verdientermaßen - im Adolf-Grimme-Preisverfahren als Live-Sendung hervorgehoben worden ist. Es gab mal eine Zeit, da Michael Geyer und Christian Berg für „Extratour“ Außenreportagen machten, bei denen man gespannt war, welcher beleidigte Holzkopf sich darüber im Anschluß an die Sendung wieder beschweren würde. Und es wird nun bald eine Zeit geben, in der es keine „Extratour“ mehr geben wird: Am Donnerstag war die vorletzte Ausgabe der „Live-Unterhaltung aus Bremen“. Und wenn man die gesehen hat, kann man nur sagen: Höchste, allerhöchste Zeit, daß Schreinemakers/Viering mitsamt dem prätentiösen Hupfdohlengehampel im Trockeneisnebel, mitsamt den mittlerweile so quälend-humoristisch-satirischen Kabaretteinlagen, mitsamt den einfallslos gewordenen Außenreportagen aufs Altenteil gehen.
Die inszenierte „Außenreportage“ vom Bremer Marktplatz („kommen Sie alle mit einem ausländischen oder deutschen Partner“) mit Jörg Wontorra und der Koreanerin Shi Kyng Rho über das Verhältnis der Bremer zu „ihren“ Ausländern: Schlichtweg eine Peinlichkeit, auf die man nur noch das Axel -Springer-Motto: „Seid nett zueinander“ kleben muß, dann hat man den verlogenen Provinz-Medienrummel in seiner ganzen Hilflosigkeit bezeichnet. Jörg Wontorra, als Sportreporter schätzenswert, war hier zugleich unter-und überfordert: „Es ist ja schon mal gut, daß Sie sich nicht schlagen“, sagte er zu zwei friedlich nebeneinanderstehenden Männern, Deutscher und Italiener. „Sie haben ja gar keinen ausländischen Partner mitgebracht, warum denn nicht? “, schimpfte er neckisch einen Bremer und fuhr dann fort: „Die Ausländer sind doch nette Leute, oder nicht?“ Jaja, nickten die Bremer auf dem Marktplatz in die Kamera. Und als einer sagte, er sei gegen das Wahlrecht für Ausländer - na, da mußte man aber die wackeren Bremer „buuuhbuuuh“ rufen hören und Jörg Wontorras hochzufriedene „TooorTooor„-Miene sehen. Im übrigen quasselte er so dummerhaftig vom „Ausländer-Getto“ und vom „Deutschen-Getto“, daß man sich nur noch schamvoll das Haupt verhüllen wollte.
Schamverletzend auch die Wortbeiträge, die „Kabarett“ zu nennen geschmeichelt wäre: Zum x-ten Mal dümmlichste, wohlfeile Boris Becker-Imitation; „Don't Wörner, be happy“, haha, von Viering dargeboten; Frank-Elstner-Imitation - eine Glashausnummer, denn wer seine eigene Sendung so doof und schlampig macht, sollte sich nicht über einen anderen Langweiler das Maul zerreißen. Selbst Richard Rogler wird in „Extratour“ so verschlissen, daß man seine Qualität förmlich schrumpfen sieht. Und dann die Musikanten, eine und einer wie die anderen. Hinunterragend: Bonnie Bianca, ein Girl mit Doktor-Matrosenhut auf dem Kopf und Gesten, wie sie sonst nur der gottvolle Bayern-Zombie Georg Ringsgwandl beherrscht. Der freilich meint es als Parodie auf solche Show-Spastizismen der Mittelmäßigkeit. Oh, „Extratour“, da du hangest! Jetzt kommst du noch einmal, und dann nimmer -nimmer-nimmermehr.
Sybille Simon-Zülch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen