Täter sicherheitsverwahrt

■ Ein Mann, der vor zehn Jahren eine Frau vergewaltigt und ermordet hat, würgte Spaziergängerin / Die Nachbarn reagierten auf Hilferufe

Zur Verhandlung stand gestern eine versuchte Vergewaltigung. Der Täter entsprach dem Horrorklischee eines nächtlichen Vergewaltigers, den frau zunächst angsterfüllt für ewig hinter Schloß und Riegel wünscht: Holger M. hatte vor zehn Jahren bereits eine junge Frau mehrfach grausam vergewaltigt und schließlich getötet. Er steht jetzt im Verdacht, vor zwei Jahren bei einer anderen jungen Frau nachts auf dunklen Wegen etwas Ähnliches versucht zuhaben.

Zur Verhandlung standen jedoch gestern auch Umstände, die im positiven Sinne einem gesellschaftlichen Klischee entsprechen: Dem Wunschtraum von den aufmerksamen und tatkräftigen AnwohnerInnen, die auf Hilfeschreie reagieren. Die losrennen, den Gewalttäter vertreiben, sich um das Opfer kümmern.

Aus der Sicht der betroffenen Frau stellen sich die Ereignisse der späten Nacht des 30.12.87 so dar: Sie hatte eine Auseinandersetzung mit ihrem Freund. Dieser verläßt die Wohnung. Zehn Minuten später geht auch sie ihn zu suchen. Unterwegs spricht ein Unbekannter sie an, hakt sie unter und verwickelt sie in ein vermeintlich harmloses Gespräch. Sagt ihr, er sei arbeitslos und Tischler, und auch sonst sei alles Mist. Als sie sich losmacht, folgt er ihr, packt sie, zieht sie in einen Weg hinein und sagt: „Du kommst jetzt mit mir. Wir gehen noch zu mir“ - „Warum gerade ich?“ fragt sie in ihrer Panik. Ihr Wehren hat keinen Erfolg. Am Ende des Weges beginnt der Mann, sie zu würgen. „In dem Moment hab ich gedacht, es ging zu Ende“, erinnerte sie sich gestern vor Gericht und: „Dann hat

er mich an den Haaren gezogen, so stark, daß ich vor Schmerzen weinen mußte, in die Kniee ging.“ Ihre lauten Hilfeschreie wurden schließlich von AnwohnerInnen gehört. Einem Mann, einem Nachbarn des Täters, gelang es den flüchtenden Holger M. zu stellen und bis zum Eintreffen der Polizei festzuhalten.

Die Frau trug, wie vor Gericht noch einmal konstatiert wurde, „blaue Streifen am Hals“ davon. Sie berichtete: „Sowie jemand hinter mir geht, zucke ich zusammen. Ich hab die erste Zeit versucht, das zu unterdrücken, da alleine mit fertig zu werden.“ Seit einigen Monaten ist sie in therapeutischer Behandlung. Den Spielplatz und Tatort, der in der Nähe ihrer Wohnung liegt, hat sie bisher nie wieder betreten.

Der Mann auf der Anklagebank, Holger M., verweigert die

Aussage. Nur kurz nach seiner Festnahme hatte er sich zu den Geschehnissen gegenüber Polizeibeamten geäußert. Hatte berichtet, er habe sexuellen Kontakt mit der Frau haben, „einen wegstecken“ wollen. Weiter sagte er einem Beamten: „Ich habe sie nicht gewürgt. Jetzt sage ich nichts mehr.“ Seit zwei Jahren ist Holger M. jetzt wieder in Haft, genauer erst in Untersuchungs-und dann in Strafhaft, sprich: in Sicherungsverwahrung.

So wie er sich weigerte, vor Gericht auszusagen, verweigerte er auch Gespräche mit den beiden psychiatrischen Gutachtern Schorsch und Maisch. Somit wird das Urteil über Holger M. auch weniger vom Gutachten der beiden Gerichtspsychiater als von den fünf RichterInnen allein abhängen.

B.D.