Stoppt Bremen das Kriegsspiel?

■ Seit gestern üben Bremer Behörden zusammen mit allen Nato-Ländern den Krieg / Szenario: Atomangriff auf die Sowjetunion / Bremer Innensenator überlegt, künftig überhaupt nicht mehr mitzuspielen

„Wir sind schon der Auffassung, daß es keine rechtliche Verpflichtung gibt, bei Wintex/Cimex mitzumachen“, erklärte gestern der Pressesprecher des Bremen Innensenators, Volker Backhaus, gegenüber der taz. Alle zwei Jahre übt die Nato in allen Mitgliedsländern den Kriegsfall (vgl. ausführlich taz 24.2. und taz-Bremen 13.2.). Um die Umstellung des zivilen Lebens auf den Kriegsalltag zu testen, werden dabei alle betroffenen Behörden überprüft, ob sie noch im Kopf und im Griff haben, die Bevölkerung notfalls mit Waffengewalt

am Weglaufen zu hindern, die Versorgung mit Wasser und Lebensmittelkarten zu organisieren, Leichen abzutransportieren, Fahrzeuge zu beschlagnahmen und die Produktion umzustellen. Alles ganz geheim und am Schreibtisch: Krieg im Kopf, am Computer und auf dem Papier.

Das Ganze erfolgt immer auf Grundlage streng geheimgehaltener, theoretischer Szenarios. In diesem Jahr üben die Nato-Länder vom 24.2. bis zum 9.3., also seit gestern, erstmals auch den Einsatz von Atomwaffen gegen die Sowjetunion, ein Drittel da

von auf deutschem Boden. Dagegen gibt es bundesweit Proteste, auch in Bremen. Gegen das „skandalöse und geschmacklose Atomkriegs-Szenario aus dem kalten Krieg“ forderte der grüne Abgeordnete Martin Thomas von der Landesregierung, jegliche Beteiligung an dem Nato -Kriegsspiel einzustellen.

Auch die Bremer Zivildienstleistenden (Zivis) haben keine Lust, sich für den Krieg einplanen zu lassen. In einem bundesweiten Streik werden am Montag die Zivis im St.-Jürgen -Krankenhaus, in der Kita Gröpelingen und in an

deren Einrichtungen ab 9 Uhr die Arbeit liegenlassen und mit Flugblättern und Info-Ständen über das verschwiegene Kriegsspiel informieren. „Wir stehen für den 'Ernstfall‘ nicht zur Verfügung“, erklärte für die Zivis Jörg Bussmann gegenüber der taz.

Zum zweitenmal beteiligt sich Bremen nur auf der untersten Beteiligungsebene ohne eigenen Führungsstab. Auch das soll aber, wenn alles gut geht, das

letzte Mal sein. „Wir in Bremen entscheiden nach Ablauf und Auswertung dieser Übung, ob wir künftig überhaupt mitmachen werden“, kündigte Backhaus für den Innensenator an, „gerade nach diesen Szenarios!“ Wenn die SozialdemokratInnen nicht nur dicke Backen machen, wäre Bremen das erste Bundesland, das bei diesem Kriegsspiel nicht mehr mitmacht. Susanne Paa