„Der Handel ist moralisch nicht okay“

Grzegorz Zietkiewicz, ehemaliges Solidarnosc-Mitglied, zu den Geschäften auf dem Krempelmarkt  ■ I N T E R V I E W

taz: Du berichtest aus Berlin für die nichtstaatliche polnische Presse und für Radio Freies Europa. Hast du an dem Pressegespräch von Senator Pieroth mit polnischen Medienvertretern teilgenommen?

Grzegorz Zietkiewicz: Nein, ich befürchte, es waren nur die kommunistischen staatlichen Medien vertreten. Wenn die darüber berichten, erreicht man aber nur den gegenteiligen Effekt. Die Leute denken dann, ach, die sind nur eifersüchtig auf unsere kleinen Geschäfte. Das wird alles für Propaganda gehalten.

In Berlin hält man das nicht für Propaganda. Über die Situation am Krempelmarkt gibt es viel Unmut.

Daß das hier im Westen einen schlechten Eindruck macht, wird von den meisten nicht verstanden. Den Handel mit polnischen Waren finde ich nicht immer moralisch einwandfrei. Zum Teil sind die Sachen ja auf dem sogenannten „freien Markt“ zu bekommen, jedoch zu Preisen, daß sie für den normalen Bürger überhaupt nicht erschwinglich sind. Erfährt man in Polen, daß begehrte und benötigte Waren hier verkauft werden, wird man nicht begeistert sein. Besonders eklatant finde ich den Verkauf von Babykleidung, die seit Jahrzehnten schwer zu erhalten ist.

Sieht man das auch so in Solidarnosc-Kreisen?

Momentan nimmt dazu niemand Stellung, weil man den Kopf mit den Round-Table-Gesprächen voll hat. Außerdem ist es natürlich eine heikle Sache. Auch wenn das moralisch nicht unbedingt in Ordnung ist, so wissen wir gleichzeitig, daß die Situation schlecht ist und die Leute irgendetwas nebenbei verdienen müssen. Das sind vergleichsweise lächerliche Verdienste. Aber wer zum Beispiel einen Wodka für einen Dollar in einem polnischen Intershop kauft und hier für vier Mark verkauft, der macht einen Gewinn von rund zwei Mark. Das sind aber schon 3.600 Zloty, fünf Prozent des durchschnittlichen Monatseinkommens. Wenn er hier 20 Flaschen verkauft, dann hat er das, wofür er in Polen den ganzen Monat arbeiten müßte.

Am Wochenende wollen die Behörden erstmals härtere Maßnahmen ergreifen. Ist das für dich eine Lösung? Solange es sich lohnt, hier nebenbei etwas zu verdienen, wird ein solcher Handel existieren. Als einzige Bremsmöglichkeit sehe ich leider auch nur die Kontrollen von westlicher Seite.

Interview: bim